How to Wear Red

Im Zentrum der Videos und Fotoarbeiten von Marge Monko (geb. 1976 in Tallinn) steht die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrem postsozialistischen Umfeld. Die Gewinnerin des Henkel Art.Award. 2012 spürt den veränderten geschlechtlichen Rollenbildern nach, die der Neoliberalismus nach dem Ende der Sowjetzeit in Estland mit sich brachte. In How to Wear Red porträtiert Monko eine Gesellschaft im Umbruch und verweist auf die Zusammenhänge von kommunistischer Vergangenheit und heutigen Identitätsbildern.

Kritisches Geschichtsbewusstsein im Umgang mit dem Erbe des Kommunismus beweist die Künstlerin auch in ihrer Fotoarbeit über das Sowjetdenkmal am Wiener Schwarzenbergplatz. Das im Gedenken an die gefallenen Rotarmisten und als Zeichen des Sieges der Alliierten 1945 errichtete Kriegerdenkmal markierte von Beginn an nicht nur das Ende der Nazidiktatur, sondern ebenso den zwiespältigen Umgang Österreichs mit seiner belasteten Vergangenheit. Monkos Fotografien verdeutlichen, wie die Verschleierung des Monuments durch die farbig beleuchteten Wasserfontänen des benachbarten Hochstrahlbrunnens auch als Sinnbild der Verdrängung unliebsamer Geschichte betrachtet werden kann.

Nicht nur in ihrem doppelbödigen Spiel mit der Farbe Rot, wie es der Ausstellungstitel "How to Wear Red" oder der Werktitel "Punane koit" (Rote Dämmerung/ Red Dawn) verraten, bekennt die Künstlerin Farbe, sondern auch in ihrer Darstellung von Klassengegensätzen und Geschlechterhierarchien.

Den Bezug zwischen Geschichte und Gegenwart im Zusammenhang mit Fragen der Geschlechteridentität und -hierarchie stellt Monko in "Free Love" (2013) her. Der historische Angelpunkt findet sich in Form eines 1905 in der estnischen Tageszeitung Postimees unter dem Titel "Free Love" erschienenen Artikels, in dem in verhetzender Weise über Schülerinnen berichtet wurde, die sich mit sozialistischen russischen Studenten abgaben. Darin zeigte sich der Hass zeitgenössischer Meinungsmacher auf das Rollenverständnis des aufkommenden revolutionären Sozialismus ebenso wie frühe Ansätze feministischer Emanzipation. Monko konfrontiert in dieser Arbeit historisches Bild- und Textmaterial über die einstige Schule mit einer Fotoserie über heutige Absolventinnen. Sie verweist damit sowohl auf die historischen Grundlagen der Emanzipationsbewegung als auch auf die Verantwortung der heutigen Generation gegenüber dieser Geschichte.

In einigen ihrer Arbeiten verbindet Monko die Realität geschlechtsspezifischer Hierarchien mit Fragen zu ethnischen Konflikten. Die beiden Thematiken überlagern sich insbesondere in Gestalt unterprivilegierter russischer Textilarbeiterinnen. Sie wurden nicht nur als Frauen, sondern auch als ethnische Minderheit im Land und als Zeichen der ehemaligen Besatzung mehrfach an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die zweiteilige Videoarbeit "Forum" (2010) verdeutlicht dies und ergreift zugleich Partei. Der Werktitel bezieht sich auf eine Fernsehdebatte von 2009, in der Vertreter der Politik und der Gewerkschaft angesichts der Wirtschaftskrise über neue Arbeitsgesetze debattierten, deren Leidtragende letztlich die russischen Arbeiterinnen waren. Während in der seinerzeitigen Runde ausschließlich Männer diskutierten, besetzt Monko deren Rollen nun mit arbeitslosen Russinnen. Sie verlesen die ursprünglichen Aussagen, sprechen aber auch über ihre eigenen Erfahrungen als Arbeitssuchende. So kommen – unter Bezugnahme auf Bertolt Brechts Arbeitertheater – nun jene zur Sprache, die einst ungehört blieben.

In einer ihrer neuesten Arbeiten thematisiert Monko die Geschichte der Textilindustrie anhand architektonischer Sinnbilder. Das Werk besteht aus einer Holzkonstruktion mit Projektionsfläche, auf der ein Video die Wiederanbringung beziehungsweise Restaurierung des titelgebenden Schriftzuges "Punane koit" auf dem Dach einer ehemaligen Miederwarenfabrik zeigt. Die Konstruktion gleicht jener, auf der die Arbeiter im Video gerade die Buchstaben vor aufgehender Sonne anbringen. Das angesprochene Rot verweist nicht nur auf die Farbsymbolik des Kommunismus, sondern ist auch als poetisch-sinnliche Anspielung auf die erzeugten Waren zu verstehen. Der Ausstellungstitel "How to Wear Red" nimmt diese Ambivalenz zwischen dem Politischen und dem Sinnlichen, zwischen Ideologie und Mode bewusst auf. Die Montage vor aufgehender Sonne spielt mit dem Gedanken an eine bessere Zukunft und einen möglichen gesellschaftlichen Neuanfang.

Zwischenmenschliche Kälte als Folge kapitalistischen Konkurrenzdenkens durchzieht als Leitmotiv die im Video "Shaken not Stirred" (2012) erzählte Geschichte dreier ProtagonistInnen in ihrer postsozialistischen Wirklichkeit. Eine Geschäftsfrau, ein Barkeeper und eine Putzfrau offenbaren in ihren Selbstgesprächen und Dialogen die tiefen Risse und Widersprüche hinter der glatten neoliberalen Gesellschaftsfassade. Während die Geschäftsfrau beruflichen Erfolg und privates Scheitern in sich vereint, repräsentiert der Barkeeper den chauvinistischen und opportunistischen Nutznießer der freien Marktwirtschaft. Die russische Putzfrau wiederum lässt in ihrer derben Emotionalität die Kluft zur eingesessenen Elite hör- und spürbar werden. In den scheinbar zufälligen Begegnungen einzelner einander fremder Personen zeigt Marge Monko hier im Kleinen ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Marge Monko - How to Wear Red
25. Oktober 2013 bis 9. Februar 2014