Home Sweet Home

"Wir alle müssen wohnen – eine Tatsache, eine Notwendigkeit, eine Pflicht, eine Last, eine Konvention und gesellschaftliche Norm", schreibt Ingeborg Strobl im Katalog zu der von ihr konzipierten Ausstellung "Wir Wohnen" im Kunstraum Niederösterreich. Eigenwillig und abseits der Ästhetik von Hochglanz-Architektur- oder Design-Magazinen kombiniert Strobl Videos, Bilder, Objekte und Installationen von Künstlerinnen und Künstlern, sie komponiert ein atmosphärisches Raumbild "Wohnen" als heterogene Einheit von persönlicher Befindlichkeit und Banalität, von Notwendigkeit, Absurdität und Sehnsucht.

Trude Lukacsek, Sammlerin und Fotografin, zeigt in einer großen Tischvitrine einen Ausschnitt ihrer persönlichen Sammlung von Reise-Souveniers der letzten Jahre. Sie lässt den Besucher an ihrer Liebe zu Alltagsgegenständen, die man von fremden Orten mit nach Hause nimmt, teilhaben. Johann Peter Hlustik teilt sich seinen Wohnraum hingegen mit mehreren tausend Personen, manifestiert in Zeitungsartikeln und Fotos und alphabetisch archiviert im Projekt "How is Who". Und während der Biedermeiertisch aus dem Privatbesitz von Prinzgau/Podgorschek, den das Künstlerpaar mit einer rosafarbenen Resopalplatte versehen hat, deren Lebensraum erahnen lässt, führt die Arbeit von Christoph Meier den Betrachter im ersten Moment in die Irre. Dort, wo der geschulte Blick eine Glasplatte vermuten würde, treffen tatsächlich "nur" ein Stahlring und zwei blaue Tischböcke aufeinander.

Auf naturalistische, lexikalische Pflanzendarstellungen des 19. Jahrhunderts nimmt Regula Dettwiler Bezug und zerlegt Plastikpflanzen, beliebt als unvergängliche, pflegeleichte Wohnraumbehübschung, grafisch in ihre Einzelteile. Dem lebendigen Gummibaum hingegen verpasst sie, mit schonendem Gummiarabikum befestigt, eine heimelig anmutende Spitzenbordüre. Dieses Bedürfnis nach Geborgenheit und Gemütlichkeit entlarvt der aus Thailand stammende Künstler Suvat in seinen Papierarbeiten als kalte Illusion: Halt- und bezugslos erscheinen seine Figuren in ihren glanzlosen Behausungen zu schweben.

Susi Jirkuff lotet in ihren Videoarbeiten "Opens from inside" und "Picks Lock" die Grenzen zwischen sicherem Wohn- und unsicherem Außenraum aus, indem sie dem bildlichen Synonym für "nach Hause kommen" den gewaltsamen Zutritt zu einem persönlichen Wohnraum gegenüberstellt. (Dr)Innen und (Dr)Außen als definierende Polarität für Wohnen beschäftigt auch Liddy Scheffknecht, wenn sie für den Innenraum konzipierte Überwachungskameras funktionsbereit in einem Wald installiert. Und in ihren Fotoarbeiten von Hauseinrüstungen lassen sich die wegretuschierten Bauten nur noch anhand ihrer Negativform erahnen. Die Arbeit "Höhle" von Norbert Gmeindl, ein an museale Modelle einer vorgeschichtlichen Miniaturlandschaft erinnerndes Kunstwerk, stellt der von einem Holzverschlag verschlossenen Höhle den klassischen weißen Vorgartenzaun als Ausdruck kleinbürgerlicher Begrenztheit gegenüber.

Eine große, den Raum beherrschende Wandmalerei von Steve Reeder zeigt King Kong, der sich an den New Yorkern satt gefressen hat. In den Assemblagen und skulpturalen Bildern von Stefan Gyurko wiederum wird das Absurde unserer verdinglichten Existenz offensichtlich, während die Georgierin Tatia Skhirtladze in poetischen Werbespots für Wohnprojekte in der ehemaligen Boomtown Tiflis die harte Realität des Alltags mit verklärten Stimmungen überlagert.

Eine Skulptur wie ein Möbelstück und doch funktionslos, eine große Schublade, die keine ist, ein formales Rätsel – die Arbeit von Lotte Lyon bedient souverän das Schwanken zwischen tradierten Kategorien und Zuordnungen; eine Irritation, die durch die im Ausstellungsraum errichtete Barriere "Romantische Ironie" von Clemens Kirsch noch verstärkt wird.

Die Grafik "Treibsand" von Alexandra Schlag mit ihren traum- und alptraumhaften Inszenierungen eines Miteinanders von Mensch und Tier gibt als Plakat und Einladung zur Ausstellung einen Eindruck jener Stimmungen und Widersprüche, die Teil der scheinbaren Selbstverständlichkeit von Wohnen sind.

Wir Wohnen
15. Januar bis 13. März 2010
Eröffnung: 14. Januar 10, 19 Uhr