Hollein

Stararchitekt, bis dato einziger österreichischer Pritzker-Preisträger, Designer, Künstler, Kurator, Ausstellungsmacher, Theoretiker, Lehrender, Autor, Medienvisio-när, Kulturanthropologe: Als Gestalter im umfassendsten Sinn hat Hans Hollein (1934–2014) der Architektur eine neue Note und dem Attribut Universalkünstler eine neue Dimension verliehen. Die Ausstellung "Hollein", die das MAK mit Unterstützung der Universität für angewandte Kunst Wien präsentiert, taucht in sein reiches Universum ein und unternimmt anhand von großteils noch nie öffentlich gezeigten Materialien aus dem Archiv Hans Holleins eine umfassende Neubetrachtung seines Gesamtwerks. Eine speziell für die Ausstellung entstandene, neue Serie von Fotoarbeiten der KünstlerInnen Aglaia Konrad und Armin Linke eröffnet neue Perspektiven auf sein Werk.

"Form folgt nicht Funktion. Form entsteht nicht von selbst. Es ist die große Entscheidung des Menschen" schreibt Hollein 1963 im Beitrag Architektur. Damals noch keine dreißig Jahre alt, definiert er damit – wie nur wenige Jahre später mit seinem viel zitierten Manifest "Alles ist Architektur" (1967) – jene konsequente Haltung, die sein spartenübergreifendes Schaffen seit fünf Jahrzehnten prägt. Mit seiner Auffassung einer totalen Umwelt, die als dreidimensionaler Ausdruck des menschlichen Verhaltens die Erde in eine Kunst-Kammer transformiert, seiner Bereicherung der Architektur um Emotion und Sinnlichkeit und seinem Verständnis von Architektur als Medium der Kommunikation verfolgt Hollein eine progressive Haltung, die Architektur als wesentliche Komponente sozialer Prozesse definiert.

Holleins visionäres architektonisches Konzept des "Kleeblattprinzips", das er für das erste von ihm gebaute Museumsgebäude, das Museum Abteiberg (Mönchengladbach, 1982) entwickelte, wird in der Ausstellungsarchitektur modellhaft aufgegriffen. Diese spezielle Raumabfolge ermöglicht durch eine diagonale Anordnung quadratischer Räume völlig neue Blickachsen und inhaltliche Querverbindungen zwischen den einzelnen Räumen und den darin präsentierten Arbeiten. Die typische Symmetrie der MAK-Ausstellungshalle wird aufgehoben und vermittelt ein Ausstellungserleben, das Holleins Gestaltungsprinzipien spürbar werden lässt.

Dass Ausstellen für Hollein nicht einfach das Zeigen von Objekten, sondern vor allem das Erzeugen von Bedeutungen durch Kontexte ist, manifestiert sich in besonderer Intensität in seinen wegweisenden Ausstellungsprojekten, wie der Ausstellungsbereich Mediale Objekte vor Augen führt. Exemplarisch dafür steht der von Hollein kuratierte und gestaltete Österreich-Beitrag Austriennale für die Triennale in Mailand im Jahr 1968. Hollein transformierte die Leistungsschau österreichischer Produkte in ein Gesamtkunstwerk mit performativem Charakter, inszenierte Schnee als österreichisches Massen- und Kulturprodukt und Reihen von Bene-Büroordnern als Sinnbild der Bürokratie. BesucherInnen wurden in das kuratorische Konzept eingebunden, etwa mit der Frustrationstür, an der nur eine der vielen Türklinken funktionierte, oder als Träger der Rot-Weiß-Rot-Österreich-Brille, die direkt vor Ort produziert wurde. In einer seiner wichtigsten Ausstellungen, "MANtransFORMS" (1976), der Eröffnungsausstellung des Cooper Hewitt National Museum of Design in New York, unternimmt Hollein eine bis heute aktuelle Analyse der "vom Menschen gestalteten Welt" und setzt mit seinem anthropologischen Gestaltungsbegriff ein wegweisendes Statement zur grundlegenden Frage: "Was ist Design?".

Auch in seinem Beitrag zur Design-Ausstellung "Selection66" (MAK, 1966) oder in den Ausstellungen "Papier" (Design-Center, Wien, 1972) und Eternit (Internationaler Wasserwirtschaftskongress Hofburg, Wien, 1969), die in der Ausstellung "Hollein" anhand von Originalobjekten, Entwurfszeichnungen und Skizzen präsentiert werden, bewies Hollein innovative Strategien im Umgang mit verschiedenen Themen und Materialien.

Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Modelle thematisieren im Ausstellungsbereich Display-Architektur Hans Holleins immer wiederkehrendes Spiel mit archaischen Symbolen und Architektur-Metaphern. Türme und Säulen etwa gewinnen im Glas- und Keramikmuseum Teheran (1978) als Display ebenso Form und Funktion wie die zum Logo gewordene Palme des Österreichischen Verkehrsbüros (1978–1985) oder das Portal in der von Hollein als innovative Ausstellungsmaschinerie konzipierten Feigen Gallery (1969) in New York. Auch das derzeit in Shenzen, China in Bau befindliche, skulptural anmutende und mit integrierten Gärten versehene Bürogebäude SBF Tower (Auftraggeber: Southern Asset Management Co. Ltd./Bosera Asset Management Co. Ltd) ist deutlich mehr als rationale Architektur und steht in auffallendem Gegensatz zu den Hochhäusern des Umfeldes.

Dominant in Holleins Schaffen ist sein Interesse für das nicht unmittelbar Funktionale, für scheinbar nebensächliche architektonische Elemente. Exemplarisch für diese markante Note steht im Themenbereich Stadtmodelle Holleins ikonischer Beitrag für die erste Architektur-Biennale in Venedig (1980), für die unter dem Titel "Strada Novissima" internationale ArchitektInnen eingeladen waren, einen hypothetischen Straßenzug im Arsenale mit prototypischen Fassaden zu bespielen. In der legendären von ihm kuratierten Ausstellung "Traum und Wirklichkeit 1870–1930" (1985) des Wien Museums im Künstlerhaus definierte Hollein die kulturgeschichtliche Auseinandersetzung zur Wiener Moderne mit auffälligen Inszenierungen neu.

Dem Beitrag Hans Holleins für den österreichischen Pavillon auf der Kunstbiennale Venedig 1972 "Werk und Verhalten, Leben und Tod. Alltägliche Situationen" wird in der Ausstellung im MAK ein eigener Raum gewidmet. Erhaltene Originalobjekte erlauben eine konzeptuelle Rekonstruktion der Situation im Pavillon. Das Projekt nimmt direkt Bezug auf seine Installation "Alles ist Architektur. Eine Ausstellung zum Thema Tod" (Mönchengladbach, 1970), ein archäologisches Feld, in dem Hollein die BesucherInnen nach Münzen und Golfschlägern graben ließ. Schließlich sollte dies zu seinem ersten Großprojekt, dem Museum Abteiberg Mönchengladbach (Baubeginn 1972; Eröffnung 1982), führen.

Holleins Entwurf des Museums Abteiberg Mönchengladbach, das die Debatte über Museumsarchitektur über Jahrzehnte beeinflusst hatte, bildet auch den Ausgangspunkt für den Bereich Kunstwelten, der Hollein als Museumsarchitekt und Stadtplaner zeigt. Angelehnt an die Idee der archäologischen Grabung integrierte er den Museumsbau in die Flanke eines Hügels und vernetzte das Gebäude untrennbar mit der Umgebung. Eine diagonale Anordnung der Räume im Inneren ("Kleeblattprinzip") ermöglicht eine dialektische räumliche Erfahrung. Arbeitsmodelle, Zeichnungen, Schnitte und Pläne lassen die Entwicklung des Museumsbaus Revue passieren. Das häufig als Tortenstück bezeichnete Museum für Moderne Kunst (MMK) Frankfurt (1991), das spektakuläre, größtenteils unterirdisch angelegte Museum für Vulkanismus "Vulcania" (2002) in Saint-Ours-Les-Roches, Auvergne, Frankreich, sowie der trotz Wettbewerbsgewinn nie realisierte, bahnbrechende Entwurf eines Museums im Mönchsberg in Salzburg (1989) skizzieren Hollein im Bereich Kunstwelten ebenso als Grenzgänger wie die Papier gebliebene Studie zu einem Guggenheim Museum in Wien (1990) oder Entwürfe für ein Experimentalmuseum in St. Louis (1960er Jahre).

Wie ein roter Faden zieht sich die Beziehung zwischen Objekt, Raum und Landschaft durch Holleins Werk. Der Themenbereich "Gebaute Landschaften" thematisiert diese "Schwellenräume" anhand von zahlreichen Zeichnungen hervorragender künstlerischer Qualität, die Entwürfe für Kulträume und Kirchen, für die legendären Wiener Geschäfte Retti oder Schullin oder für künstliche Landschaften zeigen. Schwarz-Weiß- Fotografien, die Hollein in den 1960er Jahren in St. Margareten im Burgenland aufgenommen und in der Ausstellung "sites" (Richard Feigen Gallery, Chicago, 1969) ausgestellt hatte, sind ebenso zu sehen wie seine bekannten Collagen mit Flugzeugträgern und seine legendäre Architekturpille (non-physical Environments, 1967).

Ein begehbares Archiv – basierend auf Originalmaterialien aus Hans Holleins Archiv –vertieft in der Ausstellung im MAK den Einblick in seine Denk- und Arbeitsprozesse. Zu sehen sind hier auch Fotografien und ausgewählte filmische Beiträge wie das berühmte Österreichische Porträt für den ORF (1969) sowie Filme zu seinem Werk des bekannten österreichischen Regisseurs und Hollein-Freunds Paulus Manker.


Hollein
25. Juni bis 5. Oktober 2014