Hermes Phettberg †

Mit Hermes Phettberg, bürgerlich Josef Fenz, ist am Mittwoch einer der vielseitigsten und immer wieder aneckenden österreichischen Aktionskünstler, Schauspieler und Talkshow-Moderator verstorben. Einem breiten Publikum wurde Phettpberg Mitte der Neunziger bekannt, als er seine "Nette Leit Show" im ORF moderierte. Mit dem TV-Format etablierte sich Phettberg österreichweit als Kultfigur. Insgesamt wurden davon 19 Folgen ausgestrahlt. In der Sendung begrüßte er etwa Astrologin Gerda Rogers, Kabarettist Josef Hader oder den Fußballspieler und Ex-Teamchef der österreichischen Fußballnationalmannschaft Didi Constantini, der in der Nacht auf Mittwoch ebenfalls verstarb. Legendär war auch sein "Diener" Robin, gespielt vom Künstler Oliver Hangl, der den Gästen immer Frucade oder Eierlikör anbot. Unter dem Titel "Frucade oder Eierlikör" gab Phettberg 1996 gemeinsam mit Kurt Palm ein Buch mit Interviews und Monologen aus der Show heraus. 

Mitte der 1980er Jahre war Phettberg in Wien in Mitbegründer des Vereins "Sadomasochismusinitiative Wien" und des Projektes "Polymorph Perverse Klinik Wien". Er proponierte außerdem die Gründung eines Vereins zur Schaffung einer Hochschule für  Pornographie und Prostitution. Öffentlich bekannt wurde er durch sadomasochistische Kunstaktionen gemeinsam mit Walter Reichl, wie beispielsweise ihrer „Verfügungspermanenz“ 1993 in Zürich.  Seither trat Phettberg vor allem bei künstlerischen Happenings und sexuellen Performances sowie Talkshows auf. Ein jährlicher Fixpunkt war sein Auftritt auf der Regenbogenparade, wo er sich Zeitung lesend über den  Wiener Ring kutschieren ließ.

In der Theatergruppe „Sparverein Die Unz-Ertrennlichen“ rund um Kurt Palm spielte er ab Anfang der 1990er-Jahre verschiedene Rollen. seit 1992 schrieb Phettberg seine wöchentliche „Falter“-Kolumne. Eine Sammlung der „Falter“-Kolumnen erschien als Faksimile der Typoskripte unter dem Titel „Hundert Hennen. Katechesen 1992 - 2003“. 2003 und 2004 strahlte ATV die Sendung „Beichtphater Phettberg“ aus.

Phettberg erhielt 1993 den Franz-Grillparzer-Preis der „Anonymen Aktionisten“ und 2002 den Preis der Stadt Wien für Publizistik. Der damalige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) nannte Phettberg einen „radikalen und subjektiven Beobachter des Wiener Alltagslebens“, mit seiner „Nette Leit Show“ habe er Kulturgeschichte geschrieben.

Mit „Garten der Lüste“, einer öffentlichen Fesselungsaktion im Rahmen der „Wienwoche“ sorgte Phettberg 2012 für Aufregung. Im selben Jahr erschien im Sensationsverlag das Künstlerbuch „Alles Erschreckliche! Ausgewählte Texte“. Als im Sommer 2013 die mit dem Max-Ophüls-Preis 2012 ausgezeichnete Schwarz-Weiß-Doku „Der Papst ist kein Jeansboy“ von Sobo Swobodnik über Phettbergs Alltag im Wiener Stadtkino an 28 Abenden gezeigt wurde, wohnte der Protagonist trotz Gehbehinderung jeder einzelnen Vorführung bei.

Im Januar 2007 erlitt Phettberg zum wiederholten Mal einen Schlaganfall und musste nach ärztlicher Behandlung in ein Rehabilitationszentrum. In diesem Zusammenhang reduzierte er sein Gewicht von 170 auf 73 Kilo. Er galt als mittellos und bezog eine Frührente. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnete Hermes Phettberg zu seinem 70. Geburtstag als „der ungekrönte König von Wien und als „Vorreiter für alle, die es schwer hatten“. Zuletzt lebte Phettberg, der sich selbst als „Elender“ bezeichnete, zurückgezogen. Auch im Alltag brauchte er Hilfe, aufgrund der Beeinträchtigung von Feinmotorik und Sprachvermögen selbst beim Schreiben.