Herbert List. Retrospektive

WestLicht. Schauplatz für Fotografie zeigt erstmals in Österreich eine umfassende Retrospektive des deutschen Fotografen Herbert List. List hat ein fotografisches Werk hinterlassen, das sich durch außerordentliche Kreativität und Originalität auszeichnet. Die Fotografie war in Herbert Lists eigenen Worten "sichtbar gemachte Vision".

Der Kunsthistoriker Günter Metken prägte mit Blick auf die "visionären" Bilder von List in Anlehnung an Giorgio de Chirico den Begriff "fotografia metafisica" und führte damit eine neue Kategorie in die Fotografiegeschichte ein. Gleichzeitig spiegelt List die Entwicklung der Fotografie von der Neuen Sachlichkeit zum Fotojournalismus wider. Sein Frühwerk beeindruckt durch ein sinnlich-asketisches Formgefühl, sein Spätwerk durch menschliche Nähe und Lebendigkeit. Die Ausstellung mit 223 Originalabzügen zeichnet die fotografische Karriere Lists in fünf Kapiteln nach: "fotografia metafisica", die Aufnahmen von Griechenland und der Zerstörung Münchens, Männerakte, Künstler-Porträts und Foto-Essays.

Als Sohn einer Hamburger Kaufmannsfamilie begann List Mitte der zwanziger Jahre zu fotografieren. Unter dem Eindruck der europäischen Avantgarde inszenierte er vom Surrealismus inspirierte Stilleben. Als er Deutschland 1936 aus politischen und privaten Gründen verließ, machte er sein Hobby zum Beruf, arbeitete zunächst in Paris und London als Fotograf, später in Griechenland. Dort spürte er dem Mythos der griechischen Antike nach, das Spiel mit Licht und Schatten wurde zum entscheidenden Gestaltungsmerkmal seiner Kompositionen. Antike Statuten und die Körper junger Männer inszenierte List mit vergleichbarer Sinnlichkeit und Eros. Nach Kriegsende fotografierte er in München zerstörte Architektur der barocken und klassizistischen Bauwerke. Die Bilder zeugen einerseits vom Untergang des nationalsozialistischen Herrschaftsanspruches, zum anderen stellen sie die Nachkriegsrealität im Stil einer Ruinenästhetik dar, die durch die früheren Griechenland-Aufnahmen inspiriert war.

Anfang der fünfziger Jahre entwickelte List seine Bildsprache weiter. Er richtete seine Kamera kaum noch auf Stillleben und Architektur, sondern konzentrierte sich auf die Wiedergabe des Menschen. Es entstanden einfühlsame Portraits bedeutender Schauspieler und Regisseure, Maler und Bildhauer, Schriftsteller und Musiker jener Zeit wie Picasso, Braque, Somerset Maugham, Vittorio de Sica. Diese Entwicklung vom stilleben- und symbolhaften Arrangement zur Beobachtung von Situationen im menschlichen Alltag zeigt die Vielfalt seines bildnerischen Ausdrucks über den Zeitraum von vier Jahrzehnten. Mit Blick auf das Gesamtwerk offenbart sich Lists stetiges Anliegen: "das Magische der Erscheinungen im Bilde zu fassen, so dass der hinter ihnen stehende Sinn" sichtbar wird.

Begleitend ist der umfangreiche Band "Herbert List - Monographie" im Verlag Schirmer/Mosel erschienen.

Herbert List. Retrospektive

9. Februar bis 5. April 2010