Henrik Olesen und Isidore Isou – „Demons Are Tearing Me Apart”

In der Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein trifft konzeptuell präzise Gegenwartskunst auf radikales Sprachdenken. Der in Berlin lebende Künstler Henrik Olesen (* 1967 in Esbjerg, Dänemark) beschäftigt sich bereits seit langem damit, dominante Diskurse zu zerlegen, die unsere Wahrnehmung von Identität, Körper und Sexualität prägen.

Im Rahmen des Formats „Im Kontext der Sammlung” wurde er eingeladen, einen Dialog mit der Sammlung des Kunstmuseums Liechtenstein aufzunehmen. Olesen entschied sich für Isidore Isou (1925 in Botoșani, RO – 2007 in Paris, FR), der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Isou gilt als Begründer der Lettrismus-Bewegung, die den Buchstaben (frz. „lettre”) als grundlegendes, unverfälschtes und kleinstes Element des Sprachlichen ins Zentrum ihres Schaffens stellte. Beharrlich zeigte er auf, dass Sprache, Kategorien und Kultur nicht in starre Raster eingebettet sind, sondern auf veränderbaren Prozessen beruhen.

Beide Künstler eint das Interesse, festgeschriebene Kategorisierungen in unserem Alltag aufzubrechen und eine „Kultur der Zwischenräume” aufzuzeigen – sei es im Umgang mit Sprache, Körperbildern oder kulturellen Ordnungssystemen. Eigens für seine Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein hat Olesen mehr als zehn neue Werke geschaffen, in denen er sich mit Isou auseinandersetzt. Diese werden mit bereits bestehenden Malereien, seiner Serie der Boxen und den sechs Sammlungswerken von Isou im Dialog gezeigt.

Die Ausstellung ist voller Verweise und Anspielungen auf Isou und die Lettristen. Bereits der Titel Demons Are Tearing Me Apart bezieht sich auf die pseudo-erotische Erzählung Les Démons me déchirent!, die Isou 1969 veröffentlichte. Diese Referenz bleibt bewusst abstrakt und unterstreicht die ambivalente Haltung, mit der Olesen dem durchaus kontroversen Künstler begegnet – einer Figur, die sich gerne als „Allroundgenie” inszenierte.

Für die Ausstellung setzt sich Olesen mit zentralen Motiven der Lettristen auseinander, insbesondere mit Sprache und Stimme. So tauchen in seinen neuen Werken wiederholt Sprechblasen und Zungen auf. Auch die Formate und die Farbwahl lettristischer Werke – etwa Isous Ohne Titel (La Vérité) von 1961 – greift er auf und integriert sie in seine eigene Bildsprache. Olesen nimmt Isou für die Installation seiner Werke als Ausgangspunkt und tritt mit ihm in einen Dialog – sowohl auf formaler als auch auf inhaltlicher Ebene.

In seiner künstlerischen Recherche beschäftigt sich Henrik Olesen intensiv mit der Kunstgeschichtsschreibung. Durch die Aneignung von Bild- und Textquellen erweitert er sie um queere, insbesondere schwule Positionen, die durch gesellschaftliche Mechanismen zum Teil bis heute marginalisiert, kriminalisiert oder unsichtbar gemacht werden. Dabei spielt der Körper bzw. die Körperlichkeit eine große Rolle. Die daraus resultierenden Verbindungen und Referenzen verarbeitet Olesen in seinen Werken, die sich seit Mitte der 1990er-Jahre aus einer Mischung von Collage, Skulptur und Rauminterventionen zusammensetzen.

Ein zentraler Werkzyklus sind die „Organ Paintings”, in denen sich seine Auseinandersetzung mit Körperlichkeit besonders verdichtet. Auf Leinwand oder Hartfaserplatten schafft er mit dicken Farbschichten, zähflüssigem Lack und abgekratzten Oberflächen plastisch-organische Formen, die an innere Organe erinnern. Oft ergänzt er die Bilder durch handgeschriebene Texte auf Klebeband oder besprühte Steckdosen. In seinen Gemälden plädiert er für ein neues Körperverständnis, das sich kulturellen Normen entzieht und sich ständig verändert.

Seit 2018 entwickelt Henrik Olesen eine Serie von skulpturalen Boxen, die wie Displays an der Wand montiert sind. Bemalt und mit Texten, Bildern und Fotografien versehen, eröffnen sie vielfältige kunsthistorische Referenzen. Oft widmet er sie Personen (z. B. Paul Thek) oder Werken, die gesellschaftliche Konventionen herausforderten und erst spät Anerkennung fanden. Dabei ziehen sich Themen wie Sexualität, Körper, Konsum und Vergänglichkeit durch die Arbeiten.

Im Kunstlichtsaal zeigt das Kunstmuseum Liechtenstein Ausstellungen, die neue Perspektiven auf die Sammlung eröffnen und gleichzeitig versuchen, die traditionellen Erzählungen eines Museums infrage zu stellen. Henrik Olesen und Isidore Isou sind jeweils mit mehreren Arbeiten in der Sammlung vertreten.

Im Kontext der Sammlung:
Henrik Olesen und Isidore Isou
Demons Are Tearing Me Apart
27. Juni 2025 – 18. Januar 2026