Helmut und Johanna Kandl beschäftigen sich in ihrer Arbeit mit Fragen der Kunst, insbesondere der Malerei, der Fotografie und dem Film, verwoben mit persönlichen, gesellschaftlichen und sozialen Themen. Die Ausstellung in der Landesgalerie Niederösterreich stellt die Archive der Künstlerin und des Künstlers in den Mittelpunkt.
Fotografie, Gemälde, Videos, Texte und gesammelte Gegenstände werden zu verschiedenen Themenfeldern zusammengefasst und miteinander verbunden. In ihren multimedialen Ausstellungssettings verschwimmen die Grenzen zwischen Recherchearbeit, Dokumentation und künstlerischer Reflexion.
Das Künstlerpaar verfügt über ein faszinierendes Privatarchiv mit tausenden von Fotos und Büchern, viel Videomaterial, Zeitungsausschnitten, Tonaufnahmen, Objekten und Relikten. Aus diesem Fundus entstehen künstlerische Arbeiten, manchmal erst nach Jahren, manchmal auch zu einem völlig neuen Thema.
In der Ausstellung finden sich dichte Werkblöcke über Reisen nach Südosteuropa, Russland und in den Kaukasus ebenso wie eine kritische Auseinandersetzung mit dem kitschigen "Wachau-Bild". Oder ein sinnliches Reenactment von Lebensstationen der österreichischen Schriftstellerin und Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, wie aus der Arbeit "L’éducation de Rosette" hervorgeht. Das Künstlerpaar bewegt sich geschickt zwischen persönlicher Lebensgeschichte, erlebter Begebenheit und konstruierter Fiktion, so etwa in der "Brünner Straße" und den "Weinviertler Geschichten" und gewährt unter dem Titel "Tanz den Untergang mit mir" einen vielseitigen Einblick in das Fotoarchiv. Möbelstücke aus dem Atelier sowie handgeschriebene Texte ergänzen die Exponate und vermitteln einen eigenwilligen Archivcharakter.
Ausgehend von ihren kleinen, persönlichen (Familien-)Geschichten, von konkreten Personen, Orten und Begebenheiten entsteht ein vielfältiger Bilderkosmos, der stets auch die großen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge mitdenkt, gleichzeitig aber die Schönheit im Unscheinbaren und Alltäglichen entdeckt und ihr liebevoll huldigt. Das Werk ist getragen von großer Sinnlichkeit und einem hohen Verständnis für Präsentationsformen und den dabei zur Anwendung kommenden Materialien. Die Kunst von Helmut und Johanna Kandl ist nahe am Leben angesiedelt, sie ist spartenübergreifend und hat keine Berührungsängste mit dem Populären und Didaktischen. Selbst wenn die Themen häufig ernsthaft sind und zum Nachdenken anregen, kommt der Humor nicht zu kurz. In der Ausstellung zeigt sich aber auch die feine Beobachtungsgabe der beiden, eine große Liebe und Empathie für die Menschen und eine ehrliche, unersättliche Neugierde für ihre Geschichten.
Helmut & Johanna Kandl: Viva Archiva!
Kurator: Günther Oberhollenzer
6. November 2021 bis 20. Februar 2022