Heidrun Sandbichler in der Bludenzer Galerie allerArt

Die Bludenzer Galerie allerArt startet mit einer Ausstellung zum vielschichtigen Schaffen der 1970 in Innsbruck geborenen und heute in Rom lebenden und arbeitenden Künstlerin Heidrun Sandbichler in die diesjährige Herbstsaison. Sandbichler ist mit gleichermassen poetischen wie gesellschaftspolitisch und philosophisch untermauerten Werken national wie auch international bekannt geworden.

Und es ist denn auch nicht der erste Auftritt der Tiroler Künstlerin im Ländle. Bereits 2011 präsentierte das Rohnerhaus in Lauterach die Künstlerin unter dem Titel "Locus Solus" in einer umfangreichen Einzelschau. Für die Ausstellung in Bludenz, die den Titel "Eine Arbeit zur allgemeinen Theorie der Dressur" trägt, hat sich Sandbichler mit einem aktuellen und brisanten Thema auseinandergesetzt: Überwachung und Kontrolle.

Ausgangspunkt ihrer Installation bildet das Buch "Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses" des französischen Strukturalisten Michel Foucault. In diesem Werk beschäftigt sich der Philosoph mit der Entwicklung der modernen Strafsysteme im Europa des frühen 18. Jahrhunderts. Letztlich geht es, dank Foucaults subjektkritischer Perspektive, um die Konstituierung des Subjekts "Gefangener" mittels Macht- und Wahrheitsregimen. Zentral wurde in der Rezeption dabei die Feststellung, dass es sich bei den Überwachungspraktiken nicht um aus der Gesellschaft ausgelagerte Prozesse handelt, sondern dass diese sich auch in den neu entstehenden Fabriken, Schulen und anderen Institutionen nachweisen lassen. Die Überwachungs- und Kontrollsysteme wurden im Laufe der Zeit immer mehr verfeinert. Wohin das führen kann, beschrieb etwa George Orwell in "1984". Die darin dargelegten Ideen zur allgegenwärtigen Überwachung sind heute längst keine Utopie mehr.

Sandbichlers Installation für Bludenz besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: einem Aussen und einem Innen. So befindet sich im Foyer der allerArt-Galerie, noch bevor man den eigentlichen Ausstellungsraum betritt, eine Vitrine, die ein Modell eines Gefängnisfensters enthält. Dieses weist den Besucher gleichsam darauf hin, dass er nun von einer Aussenwelt in eine Innenwelt wechselt. In der Innenwelt, ergo im Ausstellungsraum, hat die Künstlerin drei Zellen aus Eisenstäben seriell angeordnet. Der Ausstellungsbesucher kann diese Zellen aber nicht physisch betreten, sondern nur rein gedanklich. Sandbichler hat die Zellen aber solcherart aufgestellt, dass sie sich zu drehen scheinen, sobald sich der Besucher bewegt. Steht der Betrachter still, stehen auch die Zellen still. Das ganze beruht auf einem rein optischen Wahrnehmungseffekt, der dadurch entsteht, dass die Zellen, die höhenmässig auf die Körpermasse des Menschen abgestimmt sind, jeweils über einen Aussen- und einen Innenring verfügen, die sich bei einer Bewegung mit den anderen Zellen visuell überlappen und scheinbar in Schwung versetzt werden.

Im Konzept Sandbichlers, das im Anhang beigelegt ist, heisst es zu dieser Zellen-Installation: "Willkommen im Kontrollhaus. Sie betreten eine Architektur, die ein Verlassen der Zellen nicht vorsieht. Ein Ort der radikalen Isolation und Überwachung. Es ist ein analytischer Raum – ein Modell oder Ausschnitt unserer Denksysteme und ihrer Taktik. Die Zellen scheinen leer zu sein. Eine Täuschung. Der Mensch ist nicht befreit. Sein Körper ist lediglich gläsern. "Die Seele: Effekt und Instrument einer politischen Anatomie. Die Seele: Gefängnis des Körpers." Und so beginnen die Strukturen aus Eisen zu rotieren – eine Maschinerie."

Foucault war noch in den 1970er und 1980er Jahren einer der meistzitierten Philosophen. In den letzten Jahren hat man seine Ideen und Gedanken immer mehr aus dem Blickfeld verloren. Sandbichler bedauert dies, da gerade die Abhandlung des französischen Strukturalisten über "Überwachen und Strafen" eine brisante Aktualität wiedererlangt habe. Seine Schriften lieferten viele Antworten auf die Fragen von heute, betont die Künstlerin. Vor allem auch seine Auseinandersetzung mit dem "Panoptismus". Foucault hat den Begriff des "Panoptismus" (vom griechischen panoptes - "das alles Sehende") eingeführt, um die zunehmenden Überwachungs- und Kontrollmechanismen und daraus resultierende soziale Konformität des Indviduums in der Entwicklung der westlichen Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert zu beschreiben. (vgl. Wikipedia) Wobei der Begriff angelehnt ist an den architektonischen Entwurf eines perfekten Gefängnisses, des "Panopticons", von Jeremy Bentham: Als Rundbau konstruiert, mit den Zellen entlang der Aussenmauer, mit Sichtfenstern allerdings nur nach innen auf den runden Hof, in dessen Mitte sich ein Wachturm befindet, sollte Benthams Panopticon die perfekte Überwachung der Häftlinge mit geringstmöglichem Personalaufwand ermöglichen.

Auf diese Architektur spielt auch Heidrun Sandbichler an. Der Betrachter wird mit Betreten des Ausstellungsraumes Teil der Installation und gleichsam zum Überwacher. Er hat vollen Blick auf die Zellen, die sich mit ihm mitdrehen. In letzter Konsequenz wird Sandbichlers "Arbeit zur allgemeinen Theorie der Dressur" zu einem lebenden Bild, zu einem "Tableau vivant unserer Disziplinargesellschaft" (Sandbichler), in dem der Betrachterschaft eine zentrale Rolle zukommt, der er sich nicht entziehen kann.


Heidrun Sandbichler: Eine Arbeit zur allgemeinen Theorie der Dressur
7. September bis 27. Oktober 2018
Vernissage: 6. September 18, 20 Uhr