Hamster-Hipster-Handy

Ohne das Mobiltelefon ist für viele Menschen der Alltag nicht mehr vorstellbar. Seine Funktionen reichen mittlerweile weit über das Telefonieren hinaus: Das Handy ist Fotoapparat, Modeaccessoire, Computer, Terminkalender, Videoscreen und vieles mehr. Gleichermaßen komplex wie zwiespältig steht es im Zentrum eines Universums von anderen Objekten. Es prägt unsere Kommunikation, beeinflusst unser Konsumverhalten, macht Vorlieben transparent und zieht andere Dingwelten nach sich, die es ohne das Handy nicht geben würde.

Die Ausstellung stellt diese Aspekte anhand von Beispielen aus Design und Medien, Film und Gegenwartskunst in den Mittelpunkt und zeigt das Mobiltelefon als ein Ding, das – nützlich und schädlich, bindend und polarisierend – unser kulturelles Selbstverständnis mitprägt.

Hamster und Hipster fungieren dabei als zwei gegensätzliche Leitfiguren: Um die Jahrtausendwende wurden Handystrahlentests an Nagetieren durchgeführt, mit deren Hilfe mögliche Schädigungen des menschlichen Gehirns und des Gehörs sowie der umliegenden Nervenbahnen nachgewiesen werden sollten. Dieser Logik folgend, symbolisiert der Hamster die negativen Auswirkungen des Mobiltelefons auf das menschliche Leben. Ihm gegenüber steht die Kunstfigur des Hipsters. Als bejahender Konsument des 21. Jahrhunderts repräsentiert er eine neue Kultur des mobilen Bildermachens, der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, sowie die damit verbundene narzisstische Selbstdarstellung, die wiederum an kulturelle und soziale Vorgaben und Konventionen wie Ethnie, Klasse und Geschlecht gebunden sind.

Hamster und Hipster - mit ihnen wird in dieser Ausstellung der komplexe wie ambivalente Objektkosmos des Handys aufgespannt. Sie sind probate Rollenbilder, um die Verschiebung des Handy-Images von einem schädlichen zu einem nützlichen, gar unverzichtbaren Gegenstand des alltäglichen Gebrauchs zu veranschaulichen.

Wie wir Lebenszeit gestalten und organisieren, wie wir uns räumlich orientieren und auf welche Weise wir Fotografien und Videos einsetzen, ist heute wesentlich durch Mobile Devices bedingt. Mit der Verbreitung des Smartphones, das eine Vielzahl von Funktionen in einem Gegenstand vereint, hat sich die Nutzung von Armbanduhren, Taschenkalendern, Fahr- und Stadtplänen, Fotoapparaten stark verändert oder ist teilweise sogar obsolet geworden. Doch bringt der enorme Energiebedarf für diese elektronischen Geräte auch die permanente Suche nach Stromquellen mit sich.

So steht das Mobiltelefon auch für die globalen Auswirkungen des sorglosen Umgangs mit Ressourcen, zum Teil Seltene Erden, die künftig in bedrohliche Verteilungskämpfe münden können. Die mangelnde Nachhaltigkeit bezeugen auch Elektroschrott-Müllberge in Westafrika oder Indien, wo Kadmium, Quecksilber und Blei die Gesundheit der Arbeiter gefährden und die Umwelt stark belasten. Die Ausstellung thematisiert darüber hinaus globale Ortungs- und Überwachungsmöglichkeiten und deren politische Aspekte.

Die gezeigten Exponate bieten einen visuellen Streifzug durch das Universum des Kultur- und Konsumobjekts Mobiltelefon. Präsentiert werden u. a. Fotografien, interaktive Installationen, Videokunst, Malerei, Street-Art von bildenden Künstlerinnen und Künstlern, Designerinnen und Designern, welche durch Artefakte der materiellen Alltagskultur (Objekte aus dem Jugendkulturarchiv Frankfurt, Privatsammlung Birgit Richard an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main) sowie einer Handysammlung (M.E.G.A. Darmstadt) ergänzt werden.

Um die kulturelle Bedeutung des Konsumobjekts Handy aus verschiedenen Richtungen betrachten zu können, werden darüber hinaus Literatur und populäre Alltagsmedien befragt – Popmusik, Werbung, YouTube, TV-Serien oder Film. Der westeuropäische Kulturraum steht hierbei im Fokus, interkulturelle Ausflüge dienen als Kontrastfolie. Zudem wird ein Teilbereich der Ausstellung vom Medien- und Konzeptkünstler Aram Bartholl kuratiert, der web-basierte Arbeiten von Netzkünstlerinnen und –künstlern in einem Offline-Format präsentiert.


Hamster-Hipster-Handy
Im Bann des Mobiltelefons
25. April bis 5. Juli 2015