Habe ich schon? Ja, jetzt!

5. November 2014 Rosemarie Schmitt
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Diese Einspielung des Ensembles Concerto Köln ist gewissermaßen eine Nahaufnahme, sie kommt der Original-Interpretation vermutlich so nahe, wie keine andere zuvor. Und zuvor sind unzählige Aufnahmen der Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach eingespielt worden. Weshalb also eine weitere?

Bach komponierte jene "Brandenburgischen" in der Zeit zwischen 1713 und 1719. Während er jene Konzerte, etliche Kantaten und viele andere Auftragskompositionen schrieb, brachte seine Frau die Söhne Carl Philipp Emanuel und Johann Gottfried Bernhard zur Welt. Bach komponierte offensichtlich immer und überall. Allzu stürmisch forderte Bach wohl von dem Herzog seine Entlassung, denn dieser ließ den großen Komponisten kurzum in das mieseste Gefängnis der Stadt einsperren. Diese vier Wochen Haft nutzte Johann Sebastian Bach um an dem "Orgelbüchlein" zu arbeiten.

Vieles war zu jener Zeit anders, und ist heute kaum nachvollzieh- oder vorstellbar. Ja, damals herrschte ein anderer Ton! Wie bereits bei der Einspielung der Orchestersuiten wählte Concerto Köln auch bei der Aufnahme der Brandenburgischen Konzerte den tiefen Kammerton (392 Hz). Der Ton macht die Musik. Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenspiel ist nunmal auch ein gemeinsamer Stimmton. Erst 1939 einigte sich die Musikwelt darauf, dass der Kammerton 440 Hertz (Schwingungen pro Sekunde) zu haben hätte. Die Maßeinheit Hertz (abgekürzt Hz) wurde nach dem deutschen Physiker Heinrich Rudolf Hertz benannt.

Das Concerto Köln, das immerhin seit mehr als 25 Jahren ihr Können um historische Aufführungspraxis unter Beweis stellt, entschied sich für die Stimmhöhe, die auch für die französische Musik des Hochbarock (obschon es deutlich tiefer klingt) verwendet wird.

Dass Concerto Köln erst nach 25 Jahren die Brandenburgischen Konzerte in Angriff nahmen, liegt vor allem an dem Anspruch, bei jeder Aufnahme neue und spannende Sichtweisen auf Instrumente und Noten zu finden. Nach aufwendiger Recherchearbeit konnte das Ensemble z.B. die von Bach angegebene Fiauti d’Echo (die Echoflöte, eine Doppelflöte) rekonstruieren und nachbauen lassen. Diese nämlich verlangt Bach im 4. seiner Brandenburgischen Konzerte. Und was ist mit den Gamben im 6. Konzert? Welche Trompete wird im 2. gespielt? Wie soll die Continuo-Gruppe in den verschiedenen Konzerten besetzt sein? Diese und viele Fragen stellte sich das Ensemble.

Hören und geniessen Sie die Antworten! Die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach interpretiert vom Concerto Köln (Berlin Classics/Edel Kultur). Concerto Köln ist das erste Orchester, das im 4. Konzert Bachs Echoflöten verwendet. Auch der Einsatz von Nachbauten der Originalinstrumente der Bach-Zeit, mit deren klanglichen Vorzügen Bach vertraut gewesen sein dürfte, ist eine Besonderheit. Mit solch außergewöhnlicher Intensität und Wärme, dabei frisch und leicht, technisch von höchster Präzision habe ich diese Konzerte zuvor nicht gehört.

Die Brandenburgischen Konzerte? Die habe ich schon? Ja, jetzt.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt