26. Januar 2009 - 2:28 / Ausstellung 
1. Oktober 2008 1. Februar 2009

Die Inschrift "Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit" wurde im Jahr 1907 nach Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Secession und dem spektakulären Austritt der "Klimt-Gruppe" von den Türen des Secessionsgebäudes entfernt – und zum Motto der Kunstschau 1908, einer Ausstellung, die bis heute in der Entwicklung der Wiener Moderne als bahnbrechend gilt.

Die Kunstschau 1908 wurde von zahlreichen Künstlern um Gustav Klimt entwickelt – parallel zu den Feierlichkeiten anlässlich des 60-jährigen Thronjubiläums für Kaiser Franz Joseph I. in Wien. Zum kaiserlichen Festzug waren die Künstler nicht geladen, erhielten aber die Möglichkeit, den vorübergehend brachliegenden, für das Konzerthaus vorgesehenen Bauplatz am Karlsplatz als Ausstellungsfläche zu nutzen. So errichteten und gestalteten unter anderen Josef Hoffmann, Gustav Klimt, Otto Prutscher und Koloman Moser innerhalb weniger Monate Holzbauten mit 54 Ausstellungsräumen, Gartenanlagen und Innenhöfen, einen kleinen Friedhof, ein Kaffeehaus und ein Sommertheater – sowie ein zweigeschossiges, vollständig eingerichtetes Landhaus.

Malerei, Skulptur, Graphik, Kunstgewerbe und Theaterdekoration wurden auf dem rund 6500 m² großen Ausstellungsgelände als Gesamtkunstwerk inszeniert. Werke von 176 Künstlern – darunter Carl Moll, Franz Kupka, Max Oppenheimer und viele Schüler der Wiener Kunstgewerbeschule wie etwa Oskar Kokoschka – füllten die Außen- und Innenräume, Wände und Vitrinen. Der Kunsthistoriker Werner Hofmann sah im Zusammenwirken von Kaiserjubiläumshuldigungsfestzug und Kunstschau einen "Umriß der offiziellen Kunst- und Geistesgeschichte der Monarchie."

Während der Festzug die lange Tradition und die nationale Vielfalt der Habsburgermonarchie in Szene setzte, erklärte Gustav Klimt in seiner Eröffnungsrede die Kunstschau zur "Kräfterevue österreichischen Kunststrebens", zusammengestellt von Künstlern, die "keine Genossenschaft, keine Vereinigung, kein Bund" sind, sondern sich "in zwangloser Form eigens zum Zweck dieser Ausstellung zusammengefunden" haben. Klimt sprach von der Überwindung des Unterschieds zwischen bildender und angewandter Kunst und feierte gleichzeitig die "Einheit der Schaffenden und Genießenden".

Trotz teilweise euphorischer Resonanz der Presse blieb das Publikum der "Großausstellung" fern – so schrieb Berta Zuckerkandl im Neuen Wiener Journal: "Wie oft saßen Hevesi, Richard Muther und ich in dem kleinen Cafe der "Kunstschau", um zu beraten wie denn dem [...] Kampf gegen die "Kunstschau" zu begegnen sei. "Es nützt nichts", sagte Hevesi. "Aber in 20 Jahren werden wir recht behalten haben.""

Das Belvedere lässt die Kunstschau anlässlich ihres 100jährigen Jubiläums wieder aufleben: ab Oktober wird ein Großteil der ursprünglichen Exponate, zum Teil in Nachbauten der Ausstellungsräumlichkeiten gezeigt. Dokumentarische Fotografien, Modelle, Originalpläne und Filme dienen der Veranschaulichung der Details und Dimensionen dieses epochemachenden Ereignisses, ein 4 m² großes Architekturmodell soll die Verortung des Kunstschau-Ausstellungsgeländes im Stadtraum ermöglichen.

Das ursprüngliche Raumerlebnis vermitteln drei vollständig rekonstruierte Säle: der "Raum 50" mit Werken der führenden Mitglieder der Wiener Werkstätte, der "Raum 10" mit über 100 reproduzierten, direkt an die Wand geklebten Plakaten sowie der von Koloman Moser gestaltete "Raum 22" mit Hauptwerken von Gustav Klimt, damals wie heute der Höhepunkt der Schau. Klimt präsentierte unter anderem Fritza Riedler (1906), Adele Bloch-Bauer I (1907), Die drei Lebensalter (1905), Danae (1907/08) und sein bekanntestes Werk Der Kuss (1908), welches noch während der Laufzeit der Ausstellung für die Sammlung des heutigen Belvedere angekauft wurde.

Des Weiteren sind Exponate aus den damaligen Räumen für "Theater-Kunst" zu sehen: Richard Teschners monumentale Glasmosaike und Marionetten, Dekorationsskizzen von Alfred Roller und eine zwei Meter hohe Kostümskizze von Emil Orlik für die Max Reinhardt-Inszenierung von Shakespeares Wintermärchen. Für "Raum 27" schuf Otto Prutscher ein beeindruckendes Wandensemble aus Marmor, ornamentverzierten Messingblechen und einer Glasvitrine – die
Einzelteile wurden aus ganz Europa zusammengetragen und nun wieder vereint. Aus dem Raum "Kunst für das Kind" konnte das Puppenhaus von Magda Mautner von Markhof als Leihgabe gewonnen werden; die Abteilung "Allgemeine Malerei" ist durch Werke von unter anderen Adolf Hölzel, Wilhelm List, Leopold Blauensteiner, Maximilian Kurzweil, Broncia Koller-Pinell und Elena Luksch-Makowska vertreten.

Im Zuge der Recherchen für diese Ausstellung fand eine neuerliche wissenschaftliche Aufarbeitung der Werke zahlreicher, auf der Kunstschau vertretener und teilweise heute in Vergessenheit geratener Künstler statt, darunter etwa der Bildhauer Franz Metzner, dem auf der Kunstschau zwei Säle gewidmet waren.


Gustav Klimt und die Kunstschau 1908
1. Oktober 2008 bis 1. Februar 2009

Unteres Belvedere, Orangerie
Rennweg 6a
A - 1030 Wien

W: http://www.belvedere.at/

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  •  1. Oktober 2008 1. Februar 2009 /
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Josef Hoffmann: Eingang zur Ausstellungshalle der Kunstschau 1908. In: Der Architekt, Jg. XIV, Wien 1908, S.16
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Bertold Löffler: Kunstschau Wien 1908, 1908. Wien Museum; © Wien Museum