7. Juni 2016 - 4:30 / Walter Gasperi / Filmriss
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Eine Punkband gerät in die Fänge einer Gruppe Neo-Nazis. Ein Entkommen scheint unmöglich. – Jeremy Saulnier bietet mit seinem dritten Spielfilm meisterliches Genre-Kino alter Schule: Kompaktes und konzentriertes Story-Telling, das freilich auch vor heftigen Gewaltszenen nicht zurückschreckt.

Schon mit dem Rachethriller "Blue Ruin" machte der Amerikaner Jeremy Saulnier auf sich aufmerksam. Die Richtung, die er damti Debüt einschlug, setzt er mit seinem dritten Spielfilm fort: Er entführt in triste Milieus, zeichnet ein finsteres Bild von Amerika und erzählt ausgesprochen konzentriert und effizient.

Finanziell alles andere als gut steht die Punkband "The Ain´t Rights" da. Nicht einmal das Benzin für ihren Kleinbus können sie sich leisten, sondern müssen es von anderen Autos heimlich absaugen. Auch das Konzert in einem mexikanischen Restaurant bringt nicht viel ein, doch immerhin vermittelt ihnen der Veranstalter einen Auftritt in einer Rockerbar in den Wäldern von Oregon.

Das dortige Neonazi-Stammpublikum provozieren sie zwar zunächst mit einer Cover-Version von "Nazi Punks Fuck Off" der Dead Kennedys, doch letztlich gewinnen sie das Publikum für sich. Als sie jedoch in der Garderobe Zeuge eines Mordes werden, werden sie mit einem Neonazi als Wächter in einen Raum eingesperrt. Ihren Bewacher können sie zwar bald überwältigen, doch draußen hängen die Neonazis herum, die angeführt von ihrem eiskalten Chef (Patrick Stewart) diese Zeugen keinesfalls entkommen lassen wollen.

Kein Hochglanzkino bietet Saulnier, sondern inszeniert roh und ruppig. Dichte entwickelt sein Film durch die weitgehende Konzentration auf eine Nacht, die Räume der Bar als Schauplatz und den Kampf ums Überleben als einziges Thema. Keine Hintergrundstories zu Herkunft und Biografie der Figuren gibt es hier, ganz auf das Hier und Jetzt der Extremsituation beschränkt sich dieser Thriller, der im Belagerungsszenario und seienr Kompromisslosigkeit an Klassiker wie John Carpenters "Assault – Anschlag bei Nacht" oder auch George Romeros "Night of the Living Dead" erinnert.

Beklemmende Atmosphäre evoziert Saulnier dabei nicht nur durch die dunklen und schmutzigen Farben, sondern auch durch Momente extremer Gewalt. Da wird bald einmal mit einem Teppichmesser ein Arm fast durchgetrennt, später fallen Kampfhunde über die Gefangenen her und schließlich kommen auch Macheten zum Einsatz. – Und schonungslos zeigt Saulnier, was diese Waffen am menschlichen Körper anrichten.

Wo andere mit Sets und Sensationen klotzen, entwickelt Saulnier auf engstem Raum Spannung, lässt die Gefangenen Neonröhren und Feuerlöscher als Waffen für ihren Abwehrkampf entdecken. Keine weitere Botschaft gibt es hier als die, wie der Kampf ums nackte Überleben Menschen erfinderisch macht und das Letzte geben lässt. Für ironische Brechungen ist hier kaum Platz, todernst und finster entwickelt sich die Handlung, für Witz sorgt nur die Frage nach der Platte für die einsame Insel, denn in der Todesgefahr ändert sich der Musikgeschmack der harten Musiker überraschend.

Für Realismus sorgen aber auch die unverbrauchten und natürlichen Schauspieler und die alltäglichen Figuren, die sie spielen. Durch Nähe zu diesen fiebert man mit, entwickelt Sympathien und hofft auf ihr Überleben. Klar ist aber auch aufgrund der Genreregeln, dass letzteres nicht allen gegönnt sein wird.

Das ist für einmal kein Retortenkino, sondern gewinnt aus seinem Hang zu schmutzigem Realismus Kraft. Wie ein Fremdkörper wirkt "Green Room" damit in dem meist so standardisierten Kino der Gegenwart mit Arthaus-Filmen auf der einen und glattem Popcorn-Kino auf der anderen Seite.

In der Tradition der B-Filme der 50er Jahre und des blutigeren Exploitationkinos der 70er Jahre steht diese Genre-Perle und ist zusammen mit Filmen wie David Robert Mitchells "It Follows", Alfonso Gomez-Rejons "Warte bis es dunkel wird - The Town That Dreaded Sundown (2014)", James Ward Byrkits "Coherence" oder Ti Wests "The Innkeepers" ein schöner Beleg dafür, dass diese Art des Kinos erfreulicherweise am Rande des Mainstreams wieder aufblüht. - Schön wäre freilich auch, wenn diese Filme öfters den Weg ins Kino fänden und nicht nur - wie leider sehr oft - auf DVD erscheinen.

Läuft derzeit im Cineplexx Hohenems

Trailer zu "Green Room"

Die Meinung von Gastautoren muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. (red)



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