Gottfried Bechtold in der Harder Galerie.Z

Seit den sechziger Jahren arbeitet Gottfried Bechtold experimentell mit dem Spannungsfeld der Zusammenhänge von Natur und Zivilisation. Er analysiert Formen menschlicher und technologiegestützter Kommunikation, Realität und Virtualität. Die Breite, Vielfalt und Multimedialität seines Vorgehens bedingt, dass er bzw. seine Arbeiten schwer einer bestimmten Kategorie von Kunst zuzuordnen sind.

In der Auswahl der Zeichnungen der vergangenen 40 Jahre erkennen die interessierten Betrachter die enorme Bandbreite und Vielfältigkeit von Bechtolds Interessen. Sie erhalten den Eindruck eines konsistenten Œuvres, innerhalb dessen verschiedene Ansätze mehr als einmal auftauchen. Bechtold selbst beschreibt die gegenständliche Schau als "Konzentrat. Sie ist vielleicht nicht unbedingt sehr "ausgewuchtet", sondern eher verschiedenartig, heterogen. Es sind Arbeiten, die ich selber gerne habe weil sie vom Denken her interessant sind. Wir zeigen einen Querschnitt sehr verschiedener Arbeiten aus unterschiedlichen Entstehungszeiträumen." Viele dieser Zeichnungen stehen in engem Zusammenhang mit Bechtolds anderer künstlerischen Arbeit, sind sie doch Entwürfe für Skulpturen, Ideenskizzen für Installationen, Kurzfilme, Performances etc., Storyboards und Kulissenentwürfe. Oft beinhalten sie Kürzel ganz wie in persönlichen Tagebüchern. Es finden sich kodierte Notizen als Geheimbotschaften, die ihn von der gängigen "Zettelwirtschaft" (G. Bechtold) mit Aufzeichnungen zu laufenden Projekten erlösen. So schreibt er auch Datumsangaben in seine Zeichnungen und markiert damit Sitzungen oder wann ihm etwas Bestimmtes eingefallen ist. Gottfried Bechtold beschreibt im Gespräch manche seiner Zeichnungen als "Enzym" für spätere Arbeiten, eine "Art Zündkapsel" dafür, dass z.B. Skulpturen in der Folge wirklich entstanden. Die Lust am Zeichnen selber begleitet Bechtold schon sein Leben lang. Manchmal, wenn ihn dann diese Lust am Zeichnen überkommt, ergibt sich eine Arbeitsweise, die für ihn automatischem Schreiben ähnelt, eine Schaffensphase, in der sich "quasi die Zeichnung selber denkt." Das Blatt "Von Spitz bis Stumpf" (1972) - eine durchgehende Bleistiftlinie, die von oben nach unten immer dicker und fast haptisch wahrnehmbar wird - ist daher mehr als Fingerübung. Sie ist auch Ausdruck dieser Freude an der ursprünglichsten aller Ausdrucksweisen eines Künstlers. Die Arbeit Papier Bleistift aus dem Jahre 1970 steht für eine Gruppe von "Zeichnungen per se" in der sich Bechtold mit dem Genre als einer Art Phänomenologie auseinandersetzt. In diesen Bleistiftzeichnungen verweben Material und Begrifflichkeit ineinander. Es kommt zu Bedeutungsüberlagerung dieser in Richtung konzeptioneller, forschender Zeichnung gehenden Arbeiten, die zur Zeit ihrer Entstehung etwas Besonderes waren. Ein anderer dieser "Ausreißer" (G. Bechtold) in der Ausstellung ist "Der Mann mit Grüner Hose" (1985, Aquarell auf Papier). Auch diese Arbeit steht für die zweckfreien Zeichnungen Gottfried Bechtolds, die nicht im Zusammenhang eines Projektes entstanden sind. Das Blatt besticht durch den sparsamen Einsatz von Farbe, beeindruckt durch Weglassen und erhält so eine spielerische Leichtigkeit. "Die letzte Zeichnung, die als Zeichnung gemacht worden ist" entstand im vergangenen Jahr und nimmt eine immer wiederkehrende Thematik in Bechtolds Zeichnungen auf: Skulpturen an der Grenze zur nicht-Stimmigkeit. Bechtold stellt in diesen Arbeiten nicht realisierbare Dinge da. "Ich entwerfe etwas, das von der Geometrie her nicht machbar ist… Andererseits, wenn man es verkehrt herum denkt, wird es wieder sinnvoll. Etwas, das nicht machbar ist, das ich aber doch durch die Zeichnung machen kann." Unter den gezeigten Arbeiten sind auch solche, in denen Bechtold mit dem Titel der Arbeit spielt. Die Zeichnung selbst ist hier nicht so wichtig wie der eigentliche Titel, denn - wie er selber sagt - "der Titel wird sozusagen illustriert". Im Fensterdispositiv geht es auch um die Frage warum sich jemand ein Bild aufhängt. "Ein Bild kann ein Fenster ersetzen und diese Idee der fünften Wand war interessant für mich. Das Bild als Fenster nach draußen. Ein spannendes Vexierspiel von innen-außen." Bechtold arbeitet auf jedwedem Zeichengrund. Ausgangspunkt für seine Arbeiten sind auch u.a. Notizen anderer Menschen, die er sich von diesen erbittet und dann weiter verarbeitet. Bezeichnete Kuverts einer amerikanischen Behörde werden zum Ausdruck seiner Projekte, die vor allem im Kopf stattfinden. Manchmal hängen diese Arbeiten ein Jahr bei Bechtold an der Wand und wachsen ganz allmählich. So wie etwa die großen Arbeiten, die erst kurz vor der in der Galerie.Z gezeigten Ausstellung fertig gestellt wurden. Eine von ihnen ist Ausdruck eines laufenden wieder sehr komplexen Projektes zum Thema Auto. Gottfried Bechtold beschreibt seine Arbeit mit dem Begriff "wellenförmig". "Ich kehre immer wieder zum selben Punkt zurück. Letztes Jahr im Herbst entstanden z.B. Zeichnungen, die fast identisch sind mit Arbeiten von vor fast 40 Jahren." Einen einzigartigen Einblick in das Denken, die Arbeitsweise und das Leben des Künstlers geben die ebenfalls gezeigten Tage-/Skizzenbücher.
Gottfried Bechtold - Zeichnungen 25. September bis 17. Oktober 2009