13. September 2017 - 3:37 / Aktuell 

Das als "Coyote" bezeichnete heilige Tier, lateinisch Canis latrans, wird der Familie der Hunde zugeordnet. Die Urvölker Nordamerikas sehen den Kojoten sympathetisch als den Listenreichen. Sie verehren ihn als Ahnen, als höchstes Wesen von widersprüchlichem Charakter, das in zwei Formen bei Höchstgeschwindigkeit der Transformation – körperlich-weltlich und geistig-göttlich - erscheinen, sich gar über den Anus von außen nach innen stülpen kann. Es erfüllt(e) also komplizierte psychologische Aufgaben wechselseitigen Wandels bei jenen transatlantischen Erdbewohnern, die ihre Abkunft vom Kojoten herleiteten.

Gottfried Bechtolds Konzeption etwas Typisches, Fertiges, Vorgefundenes aufzunehmen, es im doppelten Wortsinn zu verwenden, zu überarbeiten, neu zu bezeichnen, wird hier von ihm an Fotos einer Aktion von Joseph Beuys durchgespielt, die er in grafischer Fokussierung auf die Inhalte des Fundstücks bearbeitet. Die wildernde empathische Geste gegenüber einem Ding, einem Objekt, einem Kunstwerk, einer Fotografie, einem industriellen Vordruck - genommen als Readymade - dessen skulpturale oder grafische Erweiterung - Akklamation oder Reflexion - jene Anspielungen also in grafischen Chiffren - in Sympathie und Empathie - ist der Ausgangsimpuls des hier nun vorliegenden zeitintensiven Arbeitsprozesses der Beschäftigung mit den Fotos einer Aktion von Joseph Beuys.

Gottfried Bechtold benützt als Bildhauer Zeichengeräte zur technischen Veranschaulichung ("Official Business") sowie zur großformatigen Dokumentation laufender Projekte. Manchmal aber nützt er den Stift auch im Auftrag von Liebhabern und Liebhaberinnen seiner Zeichnungen. So mehrmals für die Galerie.Z die sich ausdauernd und beständig um die künstlerische Handzeichnung verdient macht. Er zeigte hier extra für die Galerie verfertigte Blätter: 2011 "May-Day" - 300 Flugzeugabstürze in sämtlichen Zeichen-Stilen; 2013 "Akte an Barren" - lineare leichtathletisch beflügelte Aktzeichnungen; 2015 "Scharfes Eck" – Genre-Zeichnungen aus dem tiefen Hatlerdorf; 2017 "Coyote" – spielerisch einfühlende, kritisch inspirierte Überzeichnungen einer Fotodokumentation über Joseph Beuys.

In der Serie "Coyote" - der Dokumentation von Beuys’ Performance fotografiert von Caroline Tisdall - ist dieser Impuls der Auslöser eines poetischen Automatismus der unmerklich übergehen kann in eine Art witzigen ideologischen Kritizismus. Gefundener Grund – dichte Fügung - könnte man sagen. Eine Doppeldichtung im weitesten Sinn. Einerseits die der verwundeten Liebe Joseph Beuys’ zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Andererseits die des intuitiven zeichnerischen Zugriffs Gottfried Bechtolds auf jenes ganz besondere kleine Buch, dessen herzwärmende Fotografien indes einen anthroposophisch gemeinten Ganzheitsanspruch dokumentieren.

Er konnte jegliches meiner Kunstbücher als "Readymade" für seine zeichnerischen Abendunterhaltungen auswählen. Umso größer die Überraschung, als - unter hunderten - es auf den ersten Griff diesen kleinen Band traf. Ein ziemlich abgegriffenes Büchlein, für dessen reale Beziehungsanbahnung ich den betreffenden Schamanen zutiefst liebte, und dessen dabei entstandene Beziehungs-Geschichte eines Menschen und eines Tieres ich als beste und berührendste Arbeit von Beuys empfunden hatte. Ich sehe das heute noch so. Der Kojote ist quasi das uramerikanische Wappentier und diente Beuys 1974 - live - dazu, eine tragende neue Beziehung zu jenem alten und dem jungen Amerika her zustellen, dem er, auf Grund dieser nicht aufgearbeiteten nationalen Verwundung, bisher nur politisches Misstrauen entgegengebracht hatte. Sylvia Taraba


Gottfried Bechtold - Coyote
15. September bis 14. Oktober 2017
Eröffnung: Do 14. September 17, 19:30 Uhr



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