Godzilla - Eine Riesenechse schreibt Filmgeschichte

19. Mai 2014 Walter Gasperi
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Den Inbegriff des Film-Monsters schufen der Produzent Tomoyuki Tanaka und Regisseur Ishiro Honda 1954 mit "Godzilla". Der Erfolg des Originals ließ zahlreiche Fortsetzungen und Variationen folgen, in denen sich, beeinflusst vom gesellschaftspolitischen Hintergrund, die Rolle der Riesenechse immer wieder wandelte.

Die Verstrahlung eines japanischen Fischkutters durch einen amerikanischen Nuklearwaffentest am 1. März 1954 gilt als Inspirationsquelle für den ersten "Godzilla"-Film, der am 3. November 1954 in Japan uraufgeführt wurde. Filmisches Vorbild war wiederum der ein Jahr zuvor entstandene US-Film "The Beast from 20.000 Fathoms - Panik in New York", in dem durch einen Atomwaffentest in der Arktis ein Dinosaurier auftaut, der bald darauf in New York City Angst und Schrecken verbreitet.

Bei "Godzilla" floss dagegen das Trauma der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und die Bombardierung Tokios ein -, Schrecken des Krieges, die hier verpackt in einen Horror- und Katastrophenfilm erstmals angesprochen wurden. Unweigerlich mussten die Filmbilder des zerstörten Tokio und der überfüllten Lazarette Erinnerungen an die nur neun Jahre zurückliegenden Ereignisse wecken.

Im Gegensatz zu amerikanischen Monstern wie "King Kong" (1933) oder auch Jack Arnolds "Tarantula" (1955) richtete sich die Gewalt Godzillas aber kaum gegen Menschen. Während der Zuschauer bei den US-Produktionen um Individuen, die vom Monster bedroht wurden, bangt, sieht man bei "Godzilla" vor allem in Panik flüchtende Massen und die Zerstörungswut der Riesenechse richtet sich vor allem gegen zivilisatorisch-technische Errungenschaft wie Eisenbahn, Städtebau und Fernsehturm.

Ambivalent ist dabei die Figur des Wissenschaftlers und die Position des Films zum technologischen Fortschritt, denn der Schrecken, der durch den Atombombentest zum Leben erwachte, kann nur durch die Erfindung einer neuen, noch wirksameren Waffe gebannt werden.

Der Erfolg dieses Films ließ nicht nur schon im folgenden Jahr eine Fortsetzung folgen ("Godzilla kehrt zurück", Regie: Motoyoshi Oda), sondern begründete das Genre des "Kaiju Eiga" (Monsterfilm), in dessen Rahmen in Japan neben 28 "Godzilla"-Filmen auch Filme um den riesigen Falter Mothra und die schildkrötenartige Gamera entstanden.

Gearbeitet wurde dabei nicht mit einer Tricktechnik im Stil des Amerikaners Ray Harryhausen, sondern mit so genannter Suitmation, bei der Schauspieler in bis zu 50 Kilo schweren Kostümen die Rolle des Monsters spielten. Bei den Zerstörungsszenen wurde dagegen mit Miniaturmodellen gearbeitet, was bei westlichen Zuschauern oft den Eindruck "billiger Tricks" erzeugt.

Ist in den Filmen der 1950er Jahre das Monster noch durch und durch böse, wenn auch kaum schreckenerregend in der Art, wie es die an Spielzeug erinnernden Modellbauten zerstört, so wandelt sich das Bild, in dem Maße, in dem die legendäre Echse in den 1960er Jahren gegen andere Monster antreten muss.

Zwar darf Godzilla in "Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah" (Ishiro Honda, 1964) einerseits noch als bösartiges Monster Schaden anrichten, schließt sich aber andererseits auch mit anderen Ungeheuern wie Mothra und dem Flugsaurier Rodan zusammen, um die Menschheit gegen den aus dem All stammenden dreiköpfigen goldenen Drachen King Ghidorah zu verteidigen.

Mit dieser Multiplikation näherten sich die Monster aber auch immer mehr Spielzeugfiguren und im Gegensatz zu Ishiro Honda ließ sich der Regisseur Jun Fukuda mehr auf die komischen Effekte ein. Der reine kindliche Spaß an Destruktionsphantasien trat in den Vordergrund, während die gesellschaftspolitische Komponente auch mit der Entnationalisierung des Monsters zunehmend an Bedeutung verlor.

In den 1970er Jahren gewannen dann wie im US-Horrorfilm auch im japanischen Monsterfilm – analog zur Atombombenangst der 50er Jahre – Umweltverschmutzung und Ökologie an Gewicht. So entsteigt in "Frankensteins Kampf gegen die Todesmonster" (Yoshimitsu Banno, 1971) dem durch Müll und Dreck verschmutzten Meer um Tokio ein Hedora (= Schlamm, Industrieabfall) genannter kolossaler Mutant, der nur von Godzilla vernichtet werden kann. In "Frankensteins Höllenbrut" (Jun Fukada, 1971) wiederum kommen die Aliens auf die Erde, weil die Umwelt ihres eigenen Planeten verseucht ist.

Nach 15 Filmen endete 1975 die erste Serie von "Godzilla"“-Filmen, ehe nach einer fast zehnjährigen Pause (1975-1984) die 1980er Jahre eine Rückbesinnung auf das Original brachten. In "Godzilla – Die Rückkehr des Monsters" (Koji Hashimoto, 1984) wird die Echse durch einen Vulkanausbruch geweckt, zieht eine Spur der Verwüstung durch Tokio, bis sie durch eine Bombe vernichtet werden kann. Im Rahmen dieser zweiten Serie entstanden bis 1995 sieben Filme. Der Verkauf der Rechte der Figur an die amerikanische Tri Star beendete vorübergehend in Japan dieses Genre.

Doch 1999 bis 2004 folgten mit der so genannten Millennium-Staffel die bislang letzten sechs Filme, in denen sich wiederum die klassischen Monster erbitterte Kämpfe liefern und – zumindest in "Godzilla: Final Wars" (Ryūhei Kitamura, 2004) - ganz ohne Computeranimation Stuntmen in Gummikostümen der Echsen schwitzen und Miniaturstädte platt walzen durften.

Für die Weltberühmtheit der Echse spricht, dass die Internet-Software "Mozilla" sich bei ihrem Namen daran orientierte und, dass sie 2004 am Walk of Fame in Hollywood einen Stern erhielt. Andererseits zeigte Roland Emmerichs "Godzilla" (1998), dass sich dieses urjapanische Monster kaum in den westlichen Kontext übertragen lässt: Kommerziell war der Blockbuster zwar durchaus erfolgreich, Fans des Originals aber enttäuschte er und erhielt bei diesen den Namen GINO als Abkürzung für "Godzilla in Name Only".

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