Girls can tell

Niemand wird ernstlich behaupten, dass sich die dringenden Themen des Feminismus heute durch gelebte gesellschaftliche Gleichberechtigung erledigt hätten. Es mag aber sein, dass sich die Schwerpunkte seiner Fragestellungen verlagert haben. Was in der feministischen Revolution der 1970er und ihrer Punk-Fortsetzung der 1980er Jahre noch schwer erkämpft war, ist heute wenigstens zum Teil gesellschaftliche Realität und hat eine Fokussierung auf andere Bereiche zur Folge.

Dementsprechend hat sich der Umgang mit den Vorläuferinnen und ihren Lehren durchaus verschoben – die Notwendigkeit eines stetigen Beharrens auf dem feministischen Standpunkt ist für die Generation der nach 1970 Geborenen eher einem selbstverständlichen Bewusstsein und allgegenwärtigen Damit-Leben gewichen.

Dies bedeutet, wie gesagt, keinesfalls, dass heute keine gesellschaftliche Notwendigkeit feministischer Haltungen mehr existierte. Aber es lässt sich konstatieren, dass sich der Tonfall ihrer Äußerungen verändert hat. Dass dieser vielleicht – wagt man es zu sagen – leichter geworden ist, ohne dabei an Präzision einzubüßen. Dass sich ein Tonfall etabliert hat, der souverän genug ist, gelegentliche Zweifel an den feministischen Lehren zuzulassen, ohne gleich den Geruch des Verrats an der grundsätzlichen Idee anzunehmen.

Die Gruppenausstellung "Girls can tell" stellt Arbeiten einer Generation von nach 1970 geborenen KünstlerInnen zusammen, die exemplarisch für einen veränderten Umgang mit feministischen Themensetzungen in der zeitgenössischen Kunst stehen. Feministische Fragestellungen bilden hier oft einen eher begleitenden Unterton, äußern sich gegebenenfalls unterschwellig in der Verwendung von Materialien und Techniken und nutzen eine Eleganz der Formen und Leichtigkeit der Ästhetik, "um diese Waffen einzusetzen".

Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven formen die Werke in "Girls can tell" einen selbstbewussten Parcours mittels der Medien Fotografie, Zeichnung, Installation, Readymade, Film und Skulptur: So läßt Juliette Blightman ein rosafarbenes Kleidchen mit verspielter Blumenborte eine lächelnde Fratze schneiden und Probleme der weiblichen Adoleszenz wie auch Gewalt gegen Frauen dahinter aufscheinen. Dirk Bell, Marlo Pascual und Dirk Stewen gehen in ihren Werken in erster Linie bildnerischen Problemstellungen nach, lassen aber unterschwellig die Frage nach der Stellung der Frau in Gesellschaft und Kunstgeschichte mitschwingen.

Shannon Bool pendelt zwischen den Kontexten von Kunstgeschichte und Alltagskultur und legt dabei ebenso Verschiebungen gesellschaftlicher Frauenbilder offen, wie sie die Gültigkeit von Sehnsuchtsmotiven hinterfragt. Kajsa Dahlberg führt ein Interview mit einer feministischen Aktivistin und setzt deren Verneinung klassischer Zuordnungen formal in sich entziehenden Bildern um. Nina Hoffmann und Jeremy Shaw stellen die Frage nach der Gültigkeit herkömmlichen Geschlechterzuschreibungen. Maria Loboda baut eine verführerisch formschöne Bombe und verknüpft sie über den Titel mit Vorstellungen von modernen, selbstbewussten und gebildeten Frauen.

Verena Issel zeichnet in metaphorischen Bildern die Geschichte reisender Frauen oder die Schwierigkeiten weiblicher Berufskarrieren nach. Anna Ostoya führt die männlich dominierte Rezeption der Kunstgeschichte vor. In seiner Suche nach dem bildnerischen Ausdruck für gesellschaftlich repressive Systeme hält Seb Patane die Gedanken und Gefühle viktorianischer Frauen in einem Netz schwarzer Linien zurück. Und Susanne M. Winterling inszeniert ein psychisches Duell zweier unterschiedlicher Frauenbilder mit offenem Ausgang.

Girls can tell
28. September 2013 bis 2. Februar 2014