Gina Pane - Action Psyché

Mit ihren aufsehenerregenden Aktionen, durch die sie ihren Körper an die Grenzen der Belastbarkeit brachte, war Gina Pane (1939-1990) eine der radikalsten Performance-Künstlerinnen der 1970er-Jahre.

Pane studierte Malerei an der École des Beaux-Arts in Paris. Unter dem Eindruck der sozialen Umwälzungen und Studentenproteste im Pariser Mai 1968 entwickelte sie in der relativ kurzen Zeitspanne zwischen 1970 und 1978 ein performatives Œuvre, das vor allem durch Selbstverletzung charakterisiert wird. Ihre Aktionen richteten sich gegen eine, in ihren Augen vernichtend desolate, politische Realität und versuchten eine, wie sie es nannte, "anästhesierte Gesellschaft" aufzurütteln.

Die Künstlerin setzte sich in minutiös geplanten und durchkomponierten Performances oft stellvertretend für andere psychischen und physischen Qualen aus.

Ihre Aktion "Escalade Non Anesthésiée" (1970), in der sie mit bloßen Händen und Füßen eine mit scharfen Metalldornen besetzte Leiter auf und ab kletterte, bis sie den Schmerz nicht mehr ertragen konnte, verstand sie als Kommentar zum Vietnamkrieg. Sie verbrannte ihre Hände in kochender Schokolade (Hommage a un jeune drogué 1971), als Reaktion auf den Tod eines jungen Drogensüchtigen. Sie zerschnitt sich ihre Zunge und Lippen an Glasscherben (Action Transfert, 1973), bohrte sich Rosendornen in ihre Arme (Action Sentimentale, 1973), oder ritzte sich methodisch ihre Augenlider und ihren Bauch mit einer Rasierklinge (Action Psyché, 1974). Immer wieder richteten sich ihre Performances gegen soziale Missstände und rebellierten gegen eine heteronormative patriarchal geprägte Gesellschaft und das damit verbundene Schönheitsideal.

Die Ausstellung im Francisco Carolinum zeigt Gina Panes "Action Psyché", die am 12. Januar 1974 in der Galerie Stadler in Paris stattfand, anhand von 25 Farbfotografien und 75 Dias, die den Ablauf dokumentieren. Diese "Constats d’action" (Aktionsbelege), wie die Künstlerin sie bezeichnete, entstanden in enger Zusammenarbeit mit der Fotografin Françoise Masson und wurde nach der Aktion zu Tableaus arrangiert.

Gina Panes Werke können als Versuch der Entwicklung einer neuen machtvollen Bildsprache verstanden werden, in deren Zentrum der Körper steht. Mit ihren Schmerzperformances versucht sie einen direkten Zugang zum Gegenüber zu finden und erhofft sich, vergleichbar mit einem karthatischen Effekt, das Unterbewusstsein und das kollektive Gedächtnis der menschlichen Psyche anzusprechen.

Gina Pane - Action Psyché
29. Oktober 2021 bis 20. Februar 2022