Georg Herold. Multiple Choice

Kann man mit Dachlatten und Kaviar Kunst machen? Die Frage dürfte oft verneinendes Kopfschütteln hervorrufen. Georg Herold belehrt uns jedoch eines Besseren. In seinen Bildern, Objekten, Multiples und Installationen hat er in den frühen 1980er Jahren billige Dachlatten und seit 1988/89 wiederholt teuren Beluga-Kaviar verarbeitet. Die banalen Holzleisten spielen bis heute in seinem Werk eine zentrale Rolle, da sie, wie er sagt, "jeder Aussage präzise angepasst werden können".

Während man entsprechende Objekte damals als anti-ästhetisch einschätzte, wurde die Verwendung von Kaviar als Provokation empfunden. Verblüffung wechselte mit mildem Entsetzen und leichtem Ekel. In den letzten 40 Jahren ist ein umfangreiches und komplexes Werk entstanden, das in zahlreichen monographischen und thematischen Ausstellungen im In- und Ausland mit Erfolg gezeigt wurde.

Neben Dachlatten und Kaviarkörnern, die das Werk des Künstlers prägen, hat Herold immer wieder Ziegelsteine, Schnüre, Knöpfe und Nägel verwendet, aber auch Teesiebe, Handtaschen, Nylonstrumpfhosen, Teppiche usw. "Materialien, die eine eigene Sprache sprechen, werden von mir grundsätzlich nicht benutzt. Deshalb suche ich mir ungehobeltes, dummes Material, das keine Fragen aufwirft."

Wie kaum ein anderer Künstler unserer Zeit hat Georg Herold die Kunst des 20. Jahrhunderts in ihren unterschiedlichen Ausformungen ironisch zitiert, desillusioniert oder ins Absurde verkehrt. Die Entmystifizierung von etablierten und zur Norm gewordenen Vorstellungen macht dabei nicht Halt vor Kasimir Malewitsch, Marcel Duchamp, Donald Judd, Joseph Beuys u. a. Damit bricht Herold mit herkömmlichen Codes der Kunst und regt ein Nachdenken darüber an, welche Funktionen sie überhaupt noch wahrnehmen kann und an wen sie sich heute wendet.

In den letzten Jahren ist Herold überraschend zur menschlichen Figur zurückgekehrt. In seinen skizzenhaft angelegten Gestalten versucht er zu zeigen, wie der Mensch in seiner zivilisationsbedingten Erstarrung nicht nur sich selbst fremd geworden ist, sondern gleichzeitig auch rätselhaft und platt, aggressiv und wehrlos, sexuell enthemmt und entleibt, geziert und plump – mit einem Wort, Herolds Lattenfiguren fungieren nicht als Leitbilder des Humanen, sondern als Bündel höchst widersprüchlicher Eigenschaften, Möglichkeiten und Fähigkeiten. Sie zeigen damit auf, was heute der Fall ist.

Arbeiten von Herold befinden sich in vielen privaten und öffentlichen Sammlungen. Nicht nur in seiner Generation gilt er als einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler.

Udo und Anette Brandhorst schätzten und sammelten Georg Herolds Arbeiten bereits in den 1980er Jahren. In der Sammlung befinden sich fünfzig Arbeiten des Künstlers, die das Museum mit ebenso viel weiteren Arbeiten erstmals in der Sonderausstellung "Georg Herold. Multiple Choice" präsentiert. Bis 2. September werden neben den eigenen Multiple-Beständen und Leihgaben der berühmten Kaviarbilder auch neuere figurative und installative Arbeiten gezeigt.

Georg Herold, 1947 in Jena geboren, wurde 1973 bei dem Versuch verhaftet, die DDR zu verlassen. Die BRD kaufte den zu Gefängnis Verurteilten frei. Nach kurzem Aufenthalt in München begann er bei Sigmar Polke in Hamburg zu studieren und freundete sich dort mit Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert Oehlen u. a. an. Seit 1999 lehrt er als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie. Herold lebt und arbeitet in Köln.

Georg Herold. Multiple Choice
19. April bis 2. September 2012