Geheimnisvolle Farbformen

Die amerikanische Künstlerin Suzan Frecon (*1941) widmet sich seit Beginn ihrer Laufbahn der Malerei. Ihre abstrakten Ölgemälde und Aquarelle zielen darauf, dem Betrachter ein Erlebnis zu vermitteln, das ihn inspiriert und erhellt. Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern wurde in Zusammenarbeit mit der Künstlerin und der Menil Collection in Houston erarbeitet und bietet einen Überblick über Frecons malerisches Schaffen der letzten zehn Jahre.

Suzan Frecons Werke sind von einer spontanen Selbstverständlichkeit. Ihre Kompositionen basieren auf geometrischen Formen, die sie jedoch nie mit Lineal und Zirkel konstruiert, sondern frei auf das Papier oder die Leinwand zeichnet. Das Aquarell bietet Frecon die Möglichkeit, mit neuen Arrangements von Formen zu experimentieren. Und trotzdem dienen die Aquarelle nicht als direkte Vorbereitung für die Ölgemälde, welche in der Formgebung und auch in ihrer Komposition strenger sind. Die Aufmerksamkeit des Betrachters wird auf die Interaktion von geometrischen Farbfeldern gelenkt.

Die asymmetrische Komposition ist dabei ein zentrales Gestaltungselement, das die verschiedenen Bildebenen, Vordergrund und Hintergrund, die Bildelemente, Farben und Formen, bei längerer Betrachtung in Bewegung versetzt, vor und wieder zurücktreten lässt. Diese Dynamik wird durch die Modulierung der Farben verstärkt, welche Frecon mittels unterschiedlicher Dosierung des Bindemittels steuert. Die Bildoberfläche erscheint so in einem Spektrum von matt bis glänzend bzw. reflektierend bis absorbierend und reagiert auf die sich ändernden Lichtverhältnisse.

Obwohl die Malerei von Suzan Frecon nicht Bezug nimmt auf die unmittelbare Realität, wecken die Gemälde zahlreiche Assoziationen. Ihre Werke scheinen einer versunkenen unbekannten Kultur zu entstammen. So erinnern die verwendeten Farben beispielsweise an historische Malereien. Die erdigen Rottöne an die Höhlenmalereien von Lascaux, das Lapislazuliblau und das Gold an die Kunst der Renaissance. Zudem verwendet Frecon für ihre Aquarelle kein neutrales weisses Papier, sondern solches mit Altersspuren, Verunreinigungen oder ausgefransten Rändern. Auch die Formen wecken architektonische Assoziationen, Erinnerungen an Fundamente archäologischer Ausgrabungen, an Brücken, Berge oder auch Sonnen oder Monde.

Die Bildtitel spiegeln ebenso diese Ambivalenz von Nicht-Referenzialität und Anspielungsreichtum. So ist beispielsweise die Wortkombination "purple forbidden enclosure" (2005) für sich genommen genau so abstrakt wie das Gemälde, verleiht ihm aber als Titel zusätzliche Dimensionen. Ohne etwas zu erklären, ohne eine gegenständliche Lesart zu suggerieren, intensiviert der Titel das Geheimnis der Farben und Formen. Frecons Bilder sind nicht Resultat von Abstraktionsprozessen, sondern gehen von der Farbe aus und zielen darauf, dem Betrachter eine spezielle Erfahrung zu vermitteln. So betrachtet Suzan Frecon die Malerei als "hohe Form des Wissens" und wünscht sich von einem Gemälde, "dass es den Betrachter irgendwo hinträgt, wo er noch nie vorher gewesen ist."

Nachdem Suzan Frecon im Kunstmuseum Bern 1990 und 1994 in Ausstellungen mit Arbeiten auf Papier vertreten war, gewährt die aktuelle Präsentation einen konzentrierten Einblick in ihr malerisches Schaffen der letzten zehn Jahre und zeigt neben Aquarellen auch grossformatige Gemälde.


form, color, illumination – Suzan Frecon
11. Juni bis 28. September 2008