Gefrorene Erdbeeren im Frühling - Uwe Jäntsch in der Johanniterkirche Feldkirch

Uwe Jäntsch unterbricht in der Johanniterkirche Feldkirch für Kultur-Online die Arbeit an seinem monumentalen Tafelbild "Das Jüngste Gericht" und beantwortet Fragen zur Genese des Werkes. Der Kunstraum Johanniterkirche existiert seit dreissig Jahren. Kaum ein Künstler hat hier bei so unwirtlichen Bedingungen gearbeitet. Das Interview führte Amrei Wittwer vor Ort, zehn Tage vor der Eröffnung.

Kultur-Online: Wen lädst Du ein zur Vernissage?          

Uwe Jäntsch: Mein Zielpublikum sind alle. "Das Jüngste Gericht" betrifft die ganze Menschheit, somit bekommt jeder Mensch eine persönliche Einladung! Nicht nur diejenigen, die Kunst und Kultur in acht Semestern studiert haben. Ich freue mich über die Metzgerin, den Zimmermann, den Müllmann, Dr.in Dr., den Rollstuhlfahrer, die Polizistin und den Weihnachtsmann.          

Kultur-Online: Du arbeitest im kalten, feuchten Frühjahr wochenlang auf einem provisorischen Gerüst ohne Heizung bei ca. 0 °C direkt neben den 27 Gräbern von Mönchen und Priestern. Wie läuft die Arbeit?       

Uwe Jäntsch: Gut. Aber auch sehr fordernd. Die Bedingungen sind gerade angemessen für die Arbeit am "Jüngsten Gericht": Es ist nicht nur kalt und feucht, es gibt auch kein Wasser und kein Klo. Der Stadtbrunnen vor der Kirche ist abgestellt, weil es noch so kalt ist, dass die Leitung einfrieren würde… Ich hole Frischwasser vom Metzger gegenüber, ich darf selbstständig sein Waschbecken bedienen, mir dort die Hände waschen, neues Wasser zum Malen holen und mir den Staub von den Augenlidern wischen. Es ist ziemlich staubig hier drin.         

Kultur-Online: Womit malst Du?       

Uwe Jäntsch: Ich male immer mit Lack, denn das soll halten! Hier verwende ich Lack auf Wasserbasis, damit es schnell trocknet. Ich male mit fünf Grundfarben und mische alle anderen Farben selbst. In der Kirche ist es meist zu dunkel, um Farbe zu mischen, das frische Holz saugt alles auf und der Farbton verändert sich beim Malen. Um das Blau der Berge richtig zu treffen, muss ich in die Sonne.         

Kultur-Online: Wie wirkt der Genius Loci, der "Geist des Ortes" – also die spezielle Atmosphäre dieses Kunstraumes auf Dich und Dein Werk?       

Uwe Jäntsch: Ich habe den Eindruck, die Toten freuen sich über das Leben, das in die Kirche kommt. Der Raum liegt mir sehr, er erinnert mich an meine Vergangenheit in Italien. Die meisten Menschen haben Angst vor alten Dingen, die aufgeladen sind mit Vergangenheit. Sie wollen etwas Neues, etwas Leeres, das schnell kaputt geht. Ich brauche Dinge, die etwas aushalten. Die Johanniterkirche stammt aus dem Jahre 1218. Der Raum beeinflusst mich, die Farben meines Bildes passen sich den Farben des Raumes an, die Bordüre der Kanzel spiegelt sich in meiner Malerei. Ich male was ich sehe, ich habe keinen Plan, keine Skizze, nichts. In der Provinz fühle ich mich sicher und dann trage ich meine Heimat hinaus in die Welt. Seit ich in Vorarlberg wohne, male ich Berge auf Holz … und Kühe. Ich male die Berge, die ich jeden Tag sehe, wenn ich von Bregenz nach Feldkirch fahre: die Kurfirsten der Appenzeller Alpen, den Alpstein, die drei Schwestern. Das Glänzen von Schnee in der Frühlingssonne, das gibt mir ein schönes Gefühl.        

Kultur-Online: Du erschaffst Dein Werk in der Tradition der Kirchenmaler - vor Ort - als Auftragsarbeit?        

Uwe Jäntsch:  Ich habe keine externen Auftraggeber, das ist ja alles freiwillig – eine freiwillige Versklavung. Selbstausbeutung! Michelangelo hat vier Jahre an seinem jüngsten Gericht gearbeitet, ich arbeite dreieinhalb Wochen daran und zwar mittels Copy and Paste! Der Unterschied zwischen ihm und mir: Michelangelo schimpfte über die Sixtinische Kapelle, das sei ein "schlechter Ort" - der gute Mann wurde zensiert, alle Nacktheit wurde übermalt! Ich aber sage: die Johanniterkirche, das ist ein guter Ort. – Der Kunstraum ist bekannt für die große Unterstützung beim Aufbau durch Roland Adlassnigg und den Kurator Arno Egger, die beiden übermalen wahrscheinlich nichts.        

Kultur-Online: Warum hast Du Dich für die Arbeit am Jüngsten Gericht entschieden? Durch diese Wahl gibst Du dem Ende der Welt, der Trennung von Gut und Böse, Aufmerksamkeit.       

Uwe Jäntsch: Die Medien tun seit fünf Jahren so, als befänden wir uns permanent in der Apokalypse, ich sehe das anders. Die Idee zum Jüngsten Gericht stammt von Judith Reichart, sie kam nicht hinweg über eine meiner Malereien, über die "Piazza Garraffello" (2013), die den Schattenseiten der Gesellschaft ihre Berechtigung gibt. Sie hat sie ewig angesehen und sagte dann: "Male das Jüngste Gericht". Ich meine jeder sollte das Jüngste Gericht einmal in seinem Leben malen!        

Kultur-Online: Warum darf die Kulturamtsleiterin von Bregenz über Deine künstlerischen Inhalte in Feldkirch entscheiden?         

Uwe Jäntsch: Sie entscheidet nicht über meine Inhalte, sie inspiriert mich. Und ich bin ihr Instrument für geheime Wünsche in der Kunst.        

Kultur-Online: Hast Du Angst zu versagen?        

Uwe Jäntsch: Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich schlafe vier oder viereinhalb Stunden und sonst bin ich an der Arbeit. Die Zeit ist knapp! Außerdem gehört das Scheitern als Kunstform zu meinem Lebenswerk. Ich habe keine lukrativen Karriereabsichten, ich bin Karriere-Verweigerer. Versagen, was ist das? Mein Werk läuft von selbst, wie ferngesteuert. Ich mache was ich will, es muss am Ende nur mir selbst gefallen.        

Kultur-Online: Deine vor-letzte Publikation heißt „Closer to God“. Bist Du hier, in diesem geweihten Kunstraum näher bei Gott?       

Uwe Jäntsch: Die Kirche steht wie die Kunst in den Diensten der Gesellschaft. Hier in dieser Kirche wohnt Gott nicht mehr. Er ist umgezogen in die neuen Hallen von Ikea, er regelt den Immobilienmarkt und kümmert sich auch um die Rettung der Demokratie. Er ist dort, wo die Lämmer sind. Die Johanniterkirche ist eine Insel, oder ein Raumschiff, mitten in der Gesellschaft. Wenn ich die Kirche betrete, bin ich hier, aber ich bin doch nicht da. Am meisten beeindruckt mich die Stille und die wenigen Geräusche, die in das Innere gelangen. Manchmal wird die Stille unterbrochen von dieser einen Glocke die alle fünfzehn Minuten tönt und mich daran erinnert, die Arbeit abzuschließen.        

Kultur-Online: Manchmal bekomme ich den Eindruck, dass Du zum Personen -, zum Reliquienkult neigst. Welche Rolle spielst Du als Person in Deiner Arbeit, bist Du jetzt Punk oder bist Du der Bankdirektor?         

Uwe Jäntsch: Jeder spielt im Leben verschiedene Rollen, jeder ist Schauspieler, ein Verkäufer seiner selbst. Für mich ist ein Punk jemand, der die Ermächtigung besitzt, für sich selbst zu sprechen. "Keine Macht für niemanden". Manchmal braucht es aber auch einen Bankdirektor.       

Kultur-Online: Für einen Solo- Künstler gibst du viele Credits. Deine Arbeit zeichnet sich durch Kooperationen aus.         

Uwe Jäntsch: Selbstverständlich gebe ich an, wenn die Idee von jemand anderem stammt, oder wenn Costanza und ich die Hilfsarbeiterrolle übernehmen. Der Chef dieser Holzkonstruktion hier in der Johanniterkirche ist mein Freund Thomas Rösler. Ich habe zu ihm gesagt, ich habe eine schwierige Aufgabe für Dich: Mach mir ein Bild mit den Massen 8x8 Meter aus Holz, aus 64 Elementen gebaut, wie ein Schachspiel, und mit einem Fiat oder Trittroller transportierbar. In zwei Stunden war der Plan da, darauf folgten zwei Tage Tischlerarbeiten, zwei Tage Aufbau und Organisation, zwei Tage Tackern von 500 Holzlatten – das nenne ich Vorarlberger Effizienz. Jetzt steht da ein Maßanzug für den Kirchenraum. Erst, als die Tafel fertig aufgestellt war, habe ich Thomas Rösler in der Kirche gebeichtet, dass ich die Maße nur geschätzt habe, mit ungefähren Meterschritten am Boden, weil ich das Massband vergessen hatte. Der Chef wurde unterjocht, ganz sizilianisch sozusagen.        

Kultur-Online: Costanza Lanza di Scalea begleitet die Installation während der kommenden Monate. Was ist die Rolle von Costanza in Deiner Arbeit, ist sie Deine Muse und Deine Managerin?

Uwe Jäntsch: Costanza ist das alles und viel mehr. Sie ist die Kommunikatorin, sie steht dahinter. Wir sind ein Familienbetrieb. Sie erklärt, woher die Erdbeeren kommen und zu welchem Rezept sie am besten passen. 

Uwe Jäntsch: "Das Jüngste Gericht"
Johanniterkirche Feldkich
29.3.-14.6.2025      
Vernissage: Fr., 28.3., 20:00        
Es sprechen: Arno Egger und Judith Reichart      
Kurator: Arno Egger         
Di-Fr 10-18:00, Sa 10-16:00

Costanza Lanza di Scalea begleitet die Installation während der kommenden Monate als lebendiges Stillleben      
Der Künstler verspricht: persönliche Führungen       
https://www.johanniterkirche.at      
http://uwejaentsch.blogspot.com