Ganz besonders mag ich Mohntage

30. März 2011 Rosemarie Schmitt
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An den Tagen, an denen ich den Mohn höre, empfinde ich das wunderbare Gefühl von unerschütterlicher Geduld, gepaart mit einer beinahe stoischen, besonnenen und mir wohltuenden Behäbigkeit (dabei die Apperzeption meiner Mitmenschen wohlwollend außer Acht lassend). Schon so oft hörte ich Geschichten von der berauschenden Wirkung des Mohns. Nun endlich durfte ich dies am eigenen Leibe erfahren und mit eigenen Ohren hören, denn in diesem Klang entdeckte ich das Geheimnis dieses Rausches.

Wenn Sie, liebe Leser, mehr möchten als nur das Gras wachsen zu hören, wenn Sie hören möchten, wie Kümmel, Mohn, Paprika, Salz, Kakao oder Liebstöckel klingen, dann kommen Sie an Mulo Francel, Evelyn Huber und an deren Album "songs of spices" (GLM Music) nicht vorbei!

Ein Gewürz, welches ich bisher weder gesehen, noch geschmeckt oder gehört hatte, ist das für uns und für immer verlorene Silphion. Von den alten Griechen und Römern wurde es sehr geschätzt und von mir, nachdem ich gehört habe wie es klingt, sehr vermißt. Doch ist man in der Lage etwas zu vermissen, was man niemals hatte?

Es heißt, daß kranke Tiere, die Silphium fraßen, sofort geheilt waren und gesunde Tiere sofort krank wurden (in manchen Fällen auch starben). Menschen setzten Silphium klugerweise meist gezielt als Arzneimittel und Antidot ein (hierbei handelt es sich nicht um ein Antiidiot, sondern um ein Antitoxin!). Was um etwa 50 nach Christus zum Verschwinden dieses Gewürzes führte? Die zu große Nachfrage, die Geldgier und der Klimawandel (das haben wir Menschen wohl schon immer so gemacht).

Doch was Mulo Francel und Evelyn Huber mit "songs of spices" präsentieren, ist neu. Neu, deliziös, köstlich und sinnvoll, im wahren Sinne des Wortes!
Schon alleine die Idee, Gewürze musikalisch zu beschreiben, ist brilliant. Doch was nutzt die brillianteste Idee, wenn nicht ebensolche Menschen, in diesem Falle Francel und Huber, diese umzusetzen wissen?

Mulo Francel, dem von dem Magazin "Kulturnews" bescheinigt wurde, er sei der Saxophonist mit dem derzeit sinnlichsten Sound Europas, wurde 1967 als Bayer in München geboren. Er studierte Komposition in Linz, München und New York und das Leben auf seinen Reisen. Zu diesem Zwecke tourt er mit dem Ensemble "Quadro Nuevo" quer durch die Welt.

Evelyn Huber wurde ebenfalls geboren, doch bei Frauen spielt es keine Rolle wo und wann. Sie ist eine der jüngsten großen Musikerinnen, die die alte große Orchesterharfe derart exzellent zu spielen wissen. An der Musikhochschule in München schloß sie ihre klassische Ausbildung mit dem Meisterklassendiplom ab. Dort ist sie heute Lehrbeauftragte und außerdem Gastprofessorin an der "Guildhall School of Music" in London. Mit "Quadro Nuevo" ist Evelyn Huber seit Ende 2008 unterwegs.

Im November 2008 hatte der Gitarrist des Ensembles einen Unfall mit dem Tourbus. Es war viel mehr als ein Unfall, es war ein Unglück. Wem nutzt die Frage nach der Schuld? Seine Verletzungen sind so schwerwiegend, daß er seither Vieles nicht mehr tun kann, auch nicht Gitarre spielen. Und das konnte er wahrlich meisterhaft! Robert Wolf gehörte für mich zu "Quadro Nuevo" wie die Sterne zum Himmel, und es fällt mir schwer zu akzeptieren, ihn nicht mehr auf der Bühne erleben zu dürfen.

Meinen Respekt und meine Anerkennung für Evelyn Huber, die niemals die Unmöglichkeit versuchte, Robert Wolf ersetzen zu wollen, sondern die Lücke zu füllen, die er bei "Quadro Nuevo" (welch tiefgründigen Sinn dieser Name doch nun birgt) hinterließ. Zu füllen in sympathischer, professioneller und musikalisch herausragender Weise, daß sie auch hierfür ein "Meisterklassendiplom" verdient hätte.

Im Juli werde ich wieder die Gelegenheit haben, Mulo Francel, Evelyn Huber, Andreas (nicht Hansi!) Hinterseher und D.D. Lowka als "Quadro Nuevo" mit allen Sinnen genießen zu dürfen. Ich werde Ihnen erzählen, wie es gewesen sein wird, liebe Leser! Bis dahin, bleiben Sie würzig, so wie es sich "gehört" beim Genuß der "songs of spices".

Herzlichst,
Ihre Rosemary ("so duften Sommernächte am Mittelmeer", sagen Francel und Huber!)