Furchtsam essen, angstvoll spritzen

6. Oktober 2008 Kurt Bracharz
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Es ist jetzt vier Jahre her, dass der Chef der chinesischen Behörde für die Überwachung von Lebensmitteln und Arzneidrogen, Zheng Xiaoyu, im Zuge der "Furchtlos essen"-Kampagne seines Büros im Fernsehen sagte: "Schwer zu sagen, was man bei uns heute noch essen kann. Ich hege diesbezüglich genau dieselben Befürchtungen wie jeder Normalbürger."

Es ist jetzt ein Jahr her, dass Zheng zum Tode verurteilt wurde, weil er Bestechungsgelder der chinesischen Pharmaindustrie angenommen hatte, die einen Großteil ihrer Produkte exportiert. Zum Beispiel das Ausgangsmaterial für den Blutverdünner Heparin. In den USA starben 19 Menschen und 785 erkrankten nach dem Einsatz von aus chinesischen Schweinelebern erzeugten Heparin des US-Pharmaunternehmens Baxter. In Deutschland traten nach Injektionen von Heparin deutscher Hersteller 80 Fälle anaphylaktischen Schocks auf.

Der Lehrstuhlinhaber für Drug Regulatory Affairs an der Uni Bonn, Professor Harald Schweim, kommentierte die Vorfälle so: "Ich weiß, dass man in China jede Qualität, die man haben will, kaufen kann. Sehr rein bis total dreckig – das ist nur eine Frage des Preises. Und wenn das durchgeht, dann wird es eine Spirale nach unten geben mit unabsehbaren Folgen." In Panama starben 115 Kinder und Alte nach Einnahme eines Billighustensaftes, der aus China importiertes Diethylenglykol enthielt, das als reines Glyzerin verkauft worden war. (Ja, Diethylenglykol war auch in dem Frostschutzmittel des österreichischen Weinskandals 1985.)

Der lockere chinesische Umgang mit Pharmaka ist auch für uns bedeutsam, um die 80 Prozent der Antibiotika auf dem deutschen Markt werden in China und Indien erzeugt. Die Lebensmittelskandale hingegen bleiben eher auf China beschränkt. Der letzte Skandal mit toten Babys auf Grund von Milchverfälschung liegt übrigens erst fünf Jahre zurück. Die Kinder verhungerten damals, weil der Milchersatz keine Proteine enthielt. Deshalb wurde dieses Mal Melamin beigegeben, das einen volleren Proteingeschmack vortäuscht.