Friedrich Cerha. Sequenz & Polyvalenz

Aus Anlass des 90. Geburtstages von Friedrich Cerha zeigt das Forum Frohner in Kooperation mit dem Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe an der Donau-Universität Krems – einen Aspekt des OEuvres des Ausnahmekünstlers, der der Öffentlichkeit bislang wenig geläufig ist: sein bildnerisches Werk. Mit der Schau "Sequenz & Polyvalenz", die am 13. Februar 2016 mit einem Werkgespräch zwischen dem Künstler und Dieter Ronte, dem Leiter des Ausstellungshauses, eröffnet wird, zeigt sich die Konsequenz, mit der der Komponist sein bildnerisches Schaffen seit vielen Jahrzehnten verfolgt.

In Maria Langegg, nicht weit von Krems entfernt, sind die Arbeiten vorwiegend entstanden. Mit Niederösterreich verbindet Friedrich Cerha über seinen Wohnsitz im Dunkelsteinerwald hinaus auch eine Kindheit im Weinviertel: Adolf Frohner war in Kindertagen Spielgefährte. Und auch später verlor man sich nicht aus den Augen. Im Forum Frohner begegnen die Künstler nun einander im Werk, in ihrem Sinn für das Archaische und Materialhafte.

Parallel zu seinem bedeutenden musikalischen Schaffen hat Friedrich Cerha seit den 1950erJahren seine kontinuierliche Auseinandersetzung im visuellen Bereich vorwiegend in Form von Assemblagen, aber auch in Form von Malerei verdichtet. Reliefartige Oberflächen dominieren. Plastizität wird ebenso durch den Einsatz von Fundstücken generiert wie durch einen materialhaften Zugang zur Farbe. Friedrich Cerha, der in seinen Texten sprachgewaltig Bezüge zwischen den unterschiedlichen Disziplinen seines umfassenden künstlerischen Ausdrucks herstellt, verfolgt – in serieller Bearbeitung nachvollziehbar – gewisse Stränge über mehrere Jahrzehnte. Seine abwechslungsreiche Vertiefung und Fokussierung von Faktoren wie Rhythmus oder Polychromie strukturiert das mehr als 900 Objekte umfassende Werk. Das Bild "Baals Frauen", das im Forum Frohner zu sehen sein wird, kann als Angelpunkt zwischen bildnerischem und kompositorischem Werk, konkret der Oper "Baal", betrachtet werden.

Als ausgeprägtes Querformat angelegt, lassen sich bei der Betrachtung des Bildes aus dem Jahr 1964 erst mit entsprechender Blickdistanz drei Köpfe ausmachen. Der verzerrte Ausdruck der Dargestellten lässt auf Leid schließen. Die Figur des Baal, der im Mittelpunkt des Brechtschen Dramas sowie dessen Vertonung steht, ist durch eine Beziehung zu Frauen gekennzeichnet, die sich vordergründig in Verführung, Konsumation, Demütigung und Gewalt ausdrückt. In der körperlosen Darstellung entzieht Friedrich Cerha den Frauen jene Grundlage, die für Baal das Augenmerk seines Interesses ausmacht. Die entgleisten Gesichtszüge der schemenhaft abgebildeten Frauen artikulieren mittels des Wesens der Malerei kraftvoll das von Baal verursachte Elend. Die expressive Textur der Bildoberfläche bietet Angriffsfläche und entzieht sich nicht durch eine spiegelnd glatte Hülse. Baals Frauen ist eines der wenigen bildnerischen Werke, das einen explizit ausformulierten Titel trägt.

Doch nicht nur in diesem Fall zeigt sich die Querverbindung zum musikalischen Schaffen deutlich. Dem 1969 entstandenen Stück für Kammerensemble Catalogue des objets trouvés, das 1970 durch "die reihe" uraufgeführt wurde, ging die Studie auf Bildebene voraus. Im Ensemblestück wie in vielen anderen Assemblagen wird Friedrich Cerhas Verhältnis zu Fundstücken erkennbar: "Ich hatte schon als Kind eine besondere Beziehung zu den kleinen Dingen, die uns umgeben. Und die ich schön und anziehend fand, habe ich gesammelt: Steine, Wurzeln, altes Holz, Metallteile, Samen, Baumrinde, Münzen… und ich habe mit ihnen gelebt." Ob es nun Schlüssel, Zahnräder oder Rohre sind: mit der Trouvaille schwingt ein hoher emotionaler Wert mit, denn das Sammeln vermag Erinnerungen zu bündeln und unterstreicht den narrativen Aspekt der Kompositionen.


Friedrich Cerha. Sequenz & Polyvalenz
14. Februar bis 28. März 2016