Freiheit in geschlossenen Welten - Die Filme des Peter Weir

20. Juni 2011 Walter Gasperi
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"Picnic at Hanging Rock", "Witness – Der einzige Zeuge", "The Truman Show" oder "Dead Poet´s Society" – immer wieder wirft der Australier Peter Weir seine Protagonisten in eine fremde Welt, stellt die Frage nach der Freiheit – und dem Preis, den man dafür bezahlen muss.

Ein sicheres Leben führt Truman Burbank (Jim Carrey) in "The Truman Show" (1998). Nichts kann ihm im Grunde passieren, ist er doch nur die Figur in einer Daily Soap. Er selbst freilich weiß das nicht, lebt er doch seit seiner Geburt in der Welt dieser TV-Serie und kennt die Welt jenseits der Kulissen nicht. Einige Drehpannen bringen ihn dann aber zum Nachdenken, veranlassen ihn zu versuchen die Grenzen dieser inszenierten Welt zu verlassen, sich aus der Abhängigkeit vom ihn im Geheimen lenkenden allgewaltigen Produzenten Christof (Ed Harris) zu befreien.

Wie diese grandiose Mediensatire vielschichtig und virtuos mit religiösen Motiven und Namen spielend sich mit der Gebundenheit und Freiheit des Menschen auseinandersetzt, so kreisen die Filme von Peter Weir bis zu "The Way Back – Der lange Weg" (2010), in dem er von der Flucht aus einem sibirischen Gulag erzählt, immer wieder um die Frage der Freiheit.

Und auch der Australier selbst kam erst durch einen Aufbruch in eine neue Welt zum Film. 1944 in Sydney geboren studierte er zunächst in seiner Heimat Kunst und Jura, ehe er sich nach einer längeren Europareise dem Film zuwandte. Er arbeitete bei einem Fernsehsender als Bühnenarbeiter, drehte mehrere Kurzfilme und machte nach dem Debüt "The Cars That Ate Paris" (1974) schon mit seinem zweiten langen Spielfilm "Picnic at Hanging Rock" (1975) international auf sich aufmerksam.

Nicht nur Weir rückte mit diesem 1900 spielenden Thriller um eine Gruppe schwärmerischer Internatschülerinnen, die sich von der strengen viktorianischen Gesellschaftsmoral zu befreien versuchen, bei einem Ausflug aber auf mysteriöse Weise verschwinden, ins Blickfeld der Filmwelt, sondern Australien insgesamt. Entdeckt wurden so Fred Schepisi, Bruce Beresford und Philipp Noyce, bald sollte George Miller mit seiner "Mad Max"-Trilogie folgen. Bald aber wurden diese Australier – ähnlich wie immer wieder die Briten – von Hollywood geködert, die Individualität blieb dabei zumindest teilweise auf der Strecke, Weir aber hat sie sich bewahrt, lässt sich von großen Studios finanzieren und setzt doch seine eigenen Themen und Visionen um.

Internationaler wurden allerdings Weirs Filme, nachdem er sich in "The Last Wave" (1977) mit den Aborigines und in "Gallipolli" (1981) mit dem Einsatz australischer Truppen im Ersten Weltkrieg noch dezidiert mit seinem Heimatland auseinandergesetzt hatte. Mel Gibson schickte er in "The Year of Living Dangerously" (1982) als ehrgeizigen Journalisten in den Bürgerkrieg in Indonesien, ehe er dem Ruf Hollywoods folgte.

Wie Weir in diesen frühen Filmen seine Protagonisten immer wieder in fremde und ungewöhnliche Welten vordringen ließ, so ließ er auch in seinem ersten US-Film "Witness – Der einzige Zeuge" (1984) Harrison Ford als Polizist in die Welt der Amish eintauchen. Das gewaltfreie Leben und den Gemeinschaftssinn, die in starken Kontrast zum städtischen Leben gestellt werden, feiert der Australier dabei zwar, zeigt aber auch, wie ein Pochen auf Traditionen und strenges Regelwerk die Freiheit des Individuums einschränken.

Vom Ausbruch aus der Konsumgesellschaft erzählt Weir auch in "Mosquito Coast" (1986), doch der Traum eines skurrilen Erfinders mit seiner Familie im Dschungel ein Paradies zu verwirklichen scheitert an seinen eigenen Ansprüchen. Nicht an sich selbst als vielmehr an der extrem konservativen Gesellschaft der späten 50er Jahre scheitert dagegen der idealistische Lehrer John Keating (Robin Williams) in "Dead Poet´s Society" (1988). Die Schüler kann Keating zwar nach einigem Widerstand für Poesie begeistern und dazu bringen sich selbst zu finden, doch werden seine Bemühungen von Schulleitung und Eltern bald abgewürgt. Wie dieser Lehrer ein Fremdkörper in dieser geschlossenen Schul-Welt ist, so ist in "Fearless" (1993) der Architekt Max Klein (Jeff Bridges) nach einem Flugzeugabsturz förmlich ein Fremder in seinem eigenen Leben, der keine Angst vor Gefahren und Tod mehr kennt. Absolut frei scheint Max damit auf den ersten Blick zu sein, doch Weir zeigt eben, dass Todesangst ein existentielles Gefühl des menschlichen Lebens ist.

So wechselt der Australier zwar immer wieder das Genre, wiederholt sich bislang mit keinem Film, drehte mit "Green Card" (1990) ebenso eine Komödie über Immigranten, die sich durch eine Scheinehe eine Aufenthaltsbewilligung in den USA zu sichern versuchen, wie mit "Master and Commander" (2003) einen großen Seefahrerfilm alter Schule, bleibt sich thematisch aber treu. Denn auch in dem während der napoleonischen Kriege spielenden "Master and Commander" macht Weir eine britische Fregatte zu einer praktisch hermetisch abgeriegelten Welt mit klarer Hierarchie, wobei freilich erstmals die Obrigkeit und Werte wie Gehorsam und Disziplin positiv besetzt sind.

Dass Weir die Freiheit aber freilich weiterhin als einen zentralen menschlichen Wert ansieht, beweist er mit "The Way Back", in dem er von der Flucht von sieben Häftlingen eines sibirischen Gulags im Jahre 1941 erzählt. Geschlossen wirkt hier wieder die Welt in der Konzentration auf die Gruppe, doch atmen allein schon die grandiosen Landschaftstotalen eine grenzenlose Freiheit, die sich die Protagonisten erst mit äußerstem Einsatz und unter vielen Entbehrungen erkämpfen müssen.

30-minütiges Interview mit Peter Weir