Frankierte Fantastereien

Pressefotografie, Fotobuch, fotografische Objekte, Foto-Postkarte: Ein neuer Trend in der Reflexion über die Fotografie hinterfragt die Verbreitungsformen von Fotografie. Mehrere Bücher und Ausstellungen zu diesen Themen stiessen in den letzten Jahren nicht nur auf grosses Publikumsinteresse, sondern brachten die Geschichte der Fotografie ein gutes Stück weiter. Die "Frankierten Fantastereien" gehören ganz in diese Bewegung. Sie befassen sich mit der Fotopostkarte, die ein paar Jahre vor der illustrierten Presse oder dem bebilderten Buch der erste Träger für die Massenverbreitung der Fotografie war.

Ab 1900 verzeichnete die Ansichtskarte einen gewaltigen Erfolg. Parallel zu Stadt- oder Dorfaufnahmen veröffentlichten die Herausgeber unter dem Sammelbegriff "Fantasie-Postkarten" auch unterhaltsamere Bilder: Glückwunsch- oder 1. April-Karten, in Bild umgesetzte Sprichwörter, imaginäre, komische oder auch erotisierende Szenen. Um diese visuellen Kuriositäten zu gestalten, griffen die für die Herausgeber tätigen Fotografen zu einer ganzen Palette technischer Kunstgriffe – Montage, Doppelbelichtung, optische Verzerrung, Grossaufnahme usw. –, die bei den Fachleuten gut, beim breiten Publikum aber noch recht wenig bekannt waren. Diesen ungemein spielerischen Umgang mit dem Bild, den die Postkartenindustrie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts an den Tag legte, will die Ausstellung präsentieren und diskutieren.

Die blühende visuelle Fantasie wirkte sich auch auf die damalige Fotografie aus, sowohl in Amateur- und Berufskreisen als auch in der Kunst. Viele Künstler der 1920er und 1930er Jahre machten denn auch keinen Hehl aus ihrem lebhaften Interesse an Ansichtskarten. Paul Éluard, André Breton, Salvador Dalí unter anderen waren eifrige Sammler dieser Fantasiekarten. Hannah Höch, Herbert Bayer, Man Ray u.a.m. verwendeten sie auch als Material oder als Vorlage für ihre eigenen Werke. Paul Éluard schrieb damals, und die Ausstellung kann das bestätigen, dass diese Postkarten vielleicht "nicht Kunst", höchstens "Kleingeld der Kunst" sind, das jedoch manchmal die "Vorstellung von Gold" erzeugte.

Die Ausstellung präsentiert über 500 Postkarten – in Grossprojektionen, in Vitrinen, in Feldern von Kleinrahmen – aus den Kollektionen von Gérard Lévy und Peter Weiss sowie ausgewählte Werke von Jean Arp, Johannes Theodor Baargeld, Giacomo Balla, Oscar Dominguez, Herbert Bayer, Hans Bellmer, Erwin Blumenfeld, André Breton, Paul Citroën, Salvador Dalí, Robert Desnos, Marcel Duchamp, Paul Éluard, Max Ernst, Hannah Höch, Georges Hugnet, André Kertész, Gustav Klutsis, El Lissitzky, Dora Maar, René Magritte, Joan Miró, Meret Oppenheim, Roland Penrose, Pablo Picasso, Man Ray, Alexander Rodtschenko, Grete Stern, Maurice Tabard, Sophie Taeuber-Arp, Yves Tanguy u.a.


Zur Ausstellung gehört auch ein Buch mit 350 Farbreproduktionen, das im Steidl Verlag erscheinen wird.

Frankierte Fantastereien
Das Spielerische der Fotografie im Medium der Postkarte
27. Oktober 2007 bis 10. Februar 2008