Die Wände des Treppenhauses, das zu Francis Offmans Ausstellung „Weaving Stories” im Grafischen Kabinett der Secession in Wien führt, sind mit getrocknetem Kaffeesatz bedeckt. Das dunkle taktil ansprechende Material macht den Aufgang zum Ausstellungsraum zu einem immersiven Geruchserlebnis.
Kaffee steht im Mittelpunkt von Francis Offmans konzeptuellem Zugang zur Malerei und ist zugleich ein Zeichen für die zwei Welten, die im Leben des Künstlers miteinander verknüpft sind. Offman wuchs in Ruanda auf und wurde Zeuge des Genozids im Jahr 1994, bei dem Extremisten aus der Bevölkerungsmehrheit der Hutu zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen – vor allem Tutsi, aber auch gemäßigte Hutu – ermordeten. 1999 wanderte Offman nach Italien aus, wo er seither lebt. Während Kaffeekultur heute zur nationalen Identität Italiens gehört, schlug sie in Ruanda erst während der deutschen Kolonialherrschaft (1897–1916) Wurzeln. Kaffee wurde ausschließlich für den Export angebaut – in Gebieten, deren Bewohner:innen durch die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage gezwungen waren, auf den kolonialen Plantagen zu arbeiten.
Offman begann mit Kaffeesatz zu arbeiten, als er das letzte Päckchen öffnete, das ihm seine Mutter aus Ruanda mitgebracht hatte. Der Verlust seiner Heimat, Migration und Trennung sowie die traumatischen Erfahrungen seiner Eltern und seine Sehnsucht nach dem Ruanda seiner Kindheit sind in all seinen Arbeiten spürbar.
Um eine Zersetzung des Materials zu vermeiden, bereitet Offman den Kaffeesatz mit Kleber und Grundiermittel vor und legt damit Farbfelder auf der Leinwand an. Die minutiösen, beinahe altmeisterlichen Techniken, die er dabei einsetzt, sind fest im Kanon der italienischen Kunstgeschichte verankert. Der Künstler versteht seine Assemblagen, die von verschiedenen Texturen und Materialitäten leben, als „abstrakte Gemälde”. Manchmal ragen die Materialien über die Kanten der ungespannten Leinwände hinaus, wodurch ihre taktile und räumliche Dimension noch unterstrichen wird. Offmans Werke vermitteln eine gewisse lyrische Spontaneität, entstehen jedoch in einem zeitaufwändigen Prozess, der Schrumpfungen und Risse verhindern soll. Obwohl eine eingehende Auseinandersetzung mit medienspezifischen und technischen Fragen erkennbar ist, erschöpfen sie sich nicht in unpolitischem Formalismus, sondern sind im Gegenteil mit der Biografie des Künstlers und der Geschichte des (Neo-)Kolonialismus aufgeladen.
Offmans künstlerischer Prozess beginnt vor der eigentlichen Arbeit auf der Leinwand mit dem Sammeln gefundener und geschenkter Materialien. Diese bringen nicht nur Formen und Gesten hervor, sondern tragen auch individuelle Geschichten und kulturelle Kontexte in sich. Was ehemals der prekären Situation des Künstlers geschuldet war, ist inzwischen zu seinem Erkennungsmerkmal geworden. Der Austausch und die Begegnung mit verschiedenen Menschen, die ihm Materialien überlassen – Ruanda verfügt über eine besonders starke mündliche Tradition des Geschichtenerzählens –, sind ein wichtiger Teil seiner Arbeit. Zu Beginn seiner Praxis verwendete der Künstler die ihm geschenkte Bettwäsche aus einer Aussteuer als Bildträger. Gemusterte Stoffstücke stammen aus Kleidungsstücken seiner Mutter, Papierschnipsel aus alten Schuhkartons. Abgeschnittene Hemdkragen zitieren eine Geste des politischen Widerstands von Menschen in Ruanda gegenüber Autoritäten. Mullbinden, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist – er erhielt sie während einer Residency – hinterlassen oft gestische Spuren, die auf den Körper verweisen. Sie signalisieren Verwundbarkeit und spielen zugleich auf die Verteilung abgelaufener Medizinprodukte an Hilfsprojekte in Afrika an.
Für Offman sind seine Gemälde wie sakrale Objekte. Sich in ihre schöpferischen wie destruktiven Energien zu vertiefen, ist für ihn eine Form der Heilung und Therapie mit Transformationspotenzial.
Francis Offman wurde 1987 in Butare, Ruanda, geboren. Er lebt und arbeitet in Bologna, Italien.
Francis Offman
Weaving Stories
29. Mai bis 31. August 2025
Grafisches Kabinett