François Ozon - Frauenfilme eines Mannes

28. März 2011 Walter Gasperi
Bildteil

Frauen dominieren einen Großteil der Filme des 1967 geborenen Franzosen François Ozon. Gleich acht französische Diven treten in der Krimikomödie "Huit femmes" auf, Charlotte Rampling drückt "Sous le sable" (2000) den Stempel auf und zusammen mit Ludivine Seigner "Swimming Pool" (2003). Und immer spielt Ozon dabei auch mit der Filmgeschichte, erweist seinen Vorbildern Rainer Werner Fassbinder und vor allem Douglas Sirk seine Reverenz.

Schon Ozons Kurzfilme, die in den 90er Jahren im Rahmen seiner Ausbildung an der Filmhochschule "La Fémis" entstanden, fanden viel Beachtung, größeres Aufsehen erregte er dann mit seinem mittellangen Spielfilm "Regarde la mer" (Blicke aufs Meer / Besuch am Meer, 1997). Mit dem Meer findet sich hier auch schon ein wiederkehrendes Motiv im Werk des Franzosen. Denn am Meer wird Charlotte Rampling in "Sous le sable" ("Unter dem Sand", 2000), dem ersten Teil der "Trilogie über das Trauern", ihren Mann verlieren – und wird über den Verlust nicht hinwegkommen -, ans Meer wird der todkranke Fotograf am Ende von "Le temps qui reste" ("Die Zeit, die bleibt", 2005) fahren, um zu sterben, und ans Meer wird auch die junge Mousse nach dem Drogentod ihres Freundes in "Le refuge" ("Rückkehr ans Meer", 2009) reisen, um den Verlust zu verarbeiten. Am Meer beginnt aber auch mit einer romantischen Szene die Beziehung des Paares in "5 x 2" (2004), die freilich ohne Hoffnung auf dauerhaftes Glück ist, denn am Beginn des rückwärts erzählten Film stand schon eine kalte Scheidungsszene.

Wie Ozon in "5 x 2" mit der Filmgeschichte spielt, mit jeder der fünf Episoden stilistisch einem französischen Starregisseur von Patrice Chéreau in der Scheidungsszene bis zu Eric Rohmer in der Strandszene seine Reverenz erweist, so kennzeichnen sein gesamtes Werk Reverenzen an und Variationen von filmischen Vorbildern. Die Affinität zu Rainer Werner Fassbinder, dessen Theaterstück "Tropfen auf heiße Steine" ("Gouttes d´eau sür pierres brúlantes") er 2000 verfilmte, und Douglas Sirk, der wiederum Fassbinders großes Vorbild war, wird nicht nur in der dominanten Rolle von Frauen in Ozons Filmen deutlich, sondern mehr noch in der Vorliebe fürs Melodram.

Am weitesten trieb er dieses Genre – und auch sein Spiel damit – in "Angel" (2007), in dem er in den Farben des Hollywoodkinos der 50er Jahre die Geschichte einer fiktiven britischen Groschenroman-Autorin erzählt. Bei aller visuellen Opulenz ging dabei aber die Rechnung nicht ganz auf, da Ozon hier unentschieden zwischen Spiel mit dem Genre und echtem Gefühlskino schwankt.

Mehr zu begeistern vermag er, wenn er das Melodram ins Komödiantische kippen lässt, wenn er hemmungslos überzieht und beispielsweise in "Huit Femmes" Stars wie Catherine Deneuve, Isabelle Huppert oder Fanny Ardant) mit ihrem eigenen Star-Image spielen lässt, oder in "Potiche" ("Das Schmuckstück", 2010) ebenso lustvoll wie bissig familiäre und gesellschaftliche Verhältnisse, aber auch die Emanzipation der Frau aufs Korn nimmt.

Festschreiben auf ein Genre lässt sich der Franzose dabei aber nicht. Einen undurchsichtigen Psychothriller, aber gleichzeitig auch eine Studie über weibliches Begehren legte er mit "Swimming Pool" (2003) vor, in dem sich nicht nur für die an einer Schreibblockade leidende britische Schriftstellerin (Charlotte Rampling), die in der Abgeschiedenheit eines südfranzösischen Landhauses einen neuen Roman schreiben will, sondern auch für den Zuschauer die Grenzen zwischen Realität und Imagination immer mehr verwischen.

Zu überraschen vermochte Ozon aber auch mit "Ricky" (2009), der wie ein hartes Sozialdrama der Brüder Dardenne beginnt, dann aber immer mehr fantastische Züge annimmt, wenn dem Kleinkind Ricky Flügel wachsen und es bald auch durch einen Supermarkt fliegt.

Mag der Franzose hier aber auch stilistisch und im Erzählton einen ganz ungewohnten Weg einschlagen, so kreist im Zentrum doch auch dieser Film wieder um menschliche Beziehungen. Deren Durchleuchtung, die Frage, wie Menschen sich unter speziellen Situationen, wie Verlust des Mannes oder der Gewissheit des nahen Todes verhalten, wie sich eine Paarbeziehung entwickelt ("5 x 2") oder eben welche Belastungen die Geburt eines Kindes für ein Paar darstellen kann und wie sich die Paarbeziehung dadurch ändert ("Ricky"), sind neben dem ständigen Dialog mit der Filmgeschichte das Verbindende im ungemein vielfältigen Werk und scheinbar disparaten Werk François Ozons.