François Fontaine. Silenzio!

"Silenzio!" – "Ruhe bitte!" ist gleichzeitig das erste und das letzte Wort auf jedem Filmset. Es zeigt den Moment an, ab dem die Kamera läuft, fordert auf zu Stille und äußerster Konzentration. Der Ausruf markiert die Schwelle zwischen zwei Welten, zwischen unserer alltäglichen Wirklichkeit und der imaginären Welt des Kinos.

Zum Jahresbeginn 2016 nimmt die Leica Galerie Wien ihre Besucher mit auf eine atmosphärische Reise durch die Filmgeschichte, gleichzeitig eine Reise durch die eigenen Erinnerungen und Assoziationen. Die Serie "Silenzio! Kino der Erinnerungen" des französischen Fotografen und Oskar Barnack Preis-Finalisten François Fontaine wird in der Leica Galerie Wien zum ersten Mal vollständig in Österreich präsentiert. Einzelne Motive der Serie sind bereits im Rahmen der Ausstellung "Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie" in der Galerie OstLicht zu sehen.

In den Jahren 2011–2012 hat François Fontaine mit seiner Leica CM, einer der letzten analogen Kompaktkameras von Leica, die Filmszenen der Serie direkt vom Bildschirm abfotografiert. Die so entstandenen Stills stammen aus französischen wie internationalen Farbfilmen von den 1940er-Jahren bis heute, ein Großteil gehört längst zu Ikonen des Zelluloids. So treffen wir in Fontaines Hommage an das Kino auf Stars wie Kim Novak in Hitchcocks Vertigo, auf Peter O’Toole als Lawrence von Arabien in David Leans gleichnamigen Wüstenepos, Brigitte Bardot in Godards Die Verachtung oder Naomi Watts in David Lynchs Mulholland Drive.

Fontaine sichtete unzählige Klassiker auf der Suche nach dem einen ikonischen Bild, das unsere persönlichen Erinnerungen an den Film ebenso freizusetzen vermag, wie eigene Assoziationen die weit über die jeweilige Szene hinausgehen. Dem Künstler geht es dabei nicht um ein Quiz für Kinoliebhaber, sondern um eine Reflexion über die Erinnerung an sich. Die wie von einem Schleier überzogenen Bilder mit ihrer melancholischen Atmosphäre und ihren zeitenthobenen Kompositionen scheinen direkt unserem Unterbewusstsein entsprungen. "Mich interessiert das, was die Fotografie in der Vorstellungswelt des Betrachters auslöst. Ich habe versucht, die Gesetzmäßigkeiten des Filmemachens, die Archetypen des Films und seine Darstellungsformen zu erkunden", so Fontaine.

Die Filmbilder, aus ihren ursprünglichen Kontexten gelöst, beginnen ein Eigenleben zu führen und stellen die Betrachter vor grundlegende Fragen: Was ist Realität, was ist unsere Erinnerung? Wie verhalten sich die beiden zueinander? Können wir uns auf unsere Erinnerung verlassen oder spielt sie uns beharrlich einen Streich? Die Leica Galerie Wien lädt ihre BesucherInnen ein, auf einem Rundgang durch die Ausstellung dem Wesen der Erinnerung auf den Grund zu gehen.

François Fontaine wurde 1968 in Paris geboren. Seine ersten Fotografien entstanden während seines Studiums der Kunstgeschichte an der Sorbonne, seine Leidenschaft für das Medium entdeckte er auf ausgedehnten Reisen, vor allem nach Südostasien. Fontaines erste Ausstellung wurde 1997 unter dem Titel "Phnom-Penh Jails" in Paris gezeigt. Im selben Jahr wurde die Serie in der Kategorie Critical Photography für den Kodak Preis nominiert.

Zwischen 1998 und 2002 lebte und arbeitete Fontaine in Spanien, wo seine Serien "Poésie Urbaine" und "Les Fleurs de la Nuit" ausgestellt wurden. 2005 nahm Fontaine an der Guangzhou Photo Biennale teil. Im Rahmen einer Residenz am Guangdong Museum of Art, Guangzhou, entstand die Serie "Lost in China", mit der er 2006 den dritten Platz des Leica Oskar Barnack Preis belegte und die auf auf den Rencontres in Arles sowie auf der Photo Bejing präsentiert wurde. Die Serie "Silenzio!", fotografiert 2011–2012, wurde an verschiedenen Orten in Lyon und Paris ausgestellt und schließlich 2014 auf der Paris Photo – in Paris und Los Angeles – präsentiert. Eine kleine Auswahl an Arbeiten aus !Silenzio!! ist Teil der Wanderausstellung "Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie", die zurzeit im Fotomuseum WestLicht und der Galerie OstLicht zu sehen ist. Fontaine lebt und arbeitet in Paris.


François Fontaine. Silenzio!
Mémoires de cinema / Kino der Erinnerungen
15. Januar bis 16. April 2016