Fragen der Ethik: Journalisten im Film

Schillernd ist das Bild, das im Kino von Journalisten gezeichnet wird: Mal sind sie furchtlose Aufdecker von Skandalen, dann gehen sie wieder für eine gute Story über Leichen. Das St. Galler Kinok lädt mit einer Filmreihe zu einem Streifzug durch das Bild von Journalisten im Film ein.

Vor allem das amerikanische Kino stellt immer wieder Journalisten in den Mittelpunkt, feiert sie als Verteidiger der Freiheit und der demokratischen Grundrechte gegen eine korrupte Politik. Reale Fälle bilden für diese Heldenbilder oft die Grundlage. Steven Spielberg erinnerte eben erst in "The Post - Die Verlegerin", in dem von der Veröffentlichung der "Pentagon Papers" durch die Washington Post gegen den Willen der Nixon-Administration erzählt wird, an die Bedeutung einer freien Presse und übte im historischen Fall unübersehbar Kritik an der Trump-Ära.

Fernab von Heldenverehrung zeichnete dagegen Tom McCarthy in "Spotlight" (2015) akribisch und knochentrocken, aber gerade dadurch hochspannend nach, wie eine Gruppe von Journalisten des Boston Globe in mühsamer Kleinarbeit einen Missbrauchsskandal in der römisch-katholischen Kirche Bostons aufdeckte.

Der Klassiker dieser Journalistenfilme ist aber natürlich "All the President´s Men" (1976), in dem Alan J. Pakula mit Robert Redford und Dustin Hoffman als die Washington Post-Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward von der Aufdeckung des Watergate-Skandals erzählt, der schließlich zum Sturz von Präsident Richard Nixon führte.

Wie Spielberg in "The Post" erzählt auch George Clooney in seinem Regiedebüt "Good Night, and Good Luck" (2005) im historischen Gewand von der amerikanischen Gegenwart. Denn am Beispiel des Journalisten Edward R. Murrow, der in den 1950er Jahren in seiner TV-Sendung "See it now" die Kommunistenjagd McCarthys und die Verletzungen rechtsstaatlicher Freiheiten angriff, demonstriert Clooney nicht nur die Bedeutung politisch und sozial engagierter Medien, sondern kritisiert mehr oder weniger offen auch die Einschränkung der Bürgerrechte nach 9/11.

Aber nicht erst in den letzten Jahrzehnten, sondern schon in den 1950er Jahren wurde in Filmen wie Sam Fullers "Park Row" (1952) oder Richard Brooks´ "Die Maske runter – Deadline USA" (1952) ein Hohelied auf den Journalismus gesungen und die Macht der Presse beschworen. Kein Zufall dürfte es dabei sein, dass der Großteil der Filme über die Presse aus den USA kommt. Denn einerseits spielen in einem Zweiparteien-System mit einem starken Präsidenten die Medien als Kontrollorgan eine bedeutendere Rolle als in Staaten mit mehreren Parteien und starker Opposition, andererseits zeigen sich dort mit der Konzentration medialer Macht auch die negativen Seiten stärker.

Von dieser Möglichkeit der Manipulation der Öffentlichkeit durch einen Medienzar erzählte schon Orson Welles in "Citizen Kane" (1940), dessen Protagonist nach dem Vorbild des realen Randolph Hearst gezeichnet ist. Mit dieser Medienkonzentration und dem Sensationsjournalismus rechnet auch Fritz Lang in "While the City Sleeps" (1956) ab, in dem der Erbe eines Zeitungs-Radio-Fernsehkonzerns dem Redakteur den Posten des Chefredakteurs verspricht, der zuerst die Identität eines Serienmörders enthüllt.

Mit diesem Sensationsjournalismus rechnete Ende der 1920er Jahre schon Ben Hecht und Charles MacArthur in ihrer Broadway-Komödie "The Front Page" ab, die schon drei Jahre später erstmals und dann 1941 von Howard Hawks und 1974 von Billy Wilder nochmals verfilmt wurde. Ein idealer Regisseur für diesen Stoff war Wilder, der in den 1920er Jahren selbst Reporter in Berlin war und schon in "Ace in the Hole" ("Reporter des Satans", 1957), in dem ein Journalist für eine sensationelle Story das Leben eines Menschen riskiert, nicht nur mit dem Sensationsjournalismus, sondern auch mit einem Publikum, das nach solchen Stories giert, gnadenlos abrechnete.

Vor bissigem Witz sprüht folglich auch "The Front Page", in dem die Journalisten das Schicksal eines zum Tode Verurteilten nicht interessiert, sondern einzig die Story, die die Hinrichtung bietet. Mit hinterhältigen Tricks will der Chefredakteur seinen Reporter, der gerade heiraten will, bewegen diesen Job noch zu erfüllen, und beim Reporter spürt man auch, welches Feuer ihn erfasst, sobald er an der Schreibmaschine sitzt.

Die sensationelle Story, an der sich die Leserschaft delektiert, ist freilich nur die eine Seite der Medaille, denn solche Berichte haben unweigerlich Folgen für die Betroffenen. Wie Volker Schlöndorff in seiner Heinrich Böll-Verfilmung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1974) den Sensationsjournalismus anprangerte, so thematisiert dies auch Sydney Pollack in "Absence of Malice" ("Die Sensationsreporterin", 1981), in dem mit falschen Informationen getrickst und Unschuldige zu Verdächtigen gemacht werden.

Sitzt bei Pollack die Journalistin unwissentlich falschen Informationen auf, ist der Protagonist von Wolfgang Beckers Daniel Kehlmann-Verfilmung "Ich und Kaminski" (2015) gar nicht erst an der Wahrheit, sondern nur an einer Story, die sich gut verkaufen lässt, interessiert. Für diesen erfolglosen Journalisten ist der alte Künstler Kaminski nur ein Objekt, mit dem er das große Geschäft machen will.

So steht in diesen Filmen immer wieder die Ethik des Journalisten zur Diskussion, der unparteiisch und sachlich berichten soll. Dass es freilich in dieser Rolle kaum möglich ist neutral zu bleiben, thematisiert Philip Noyce in der Graham Greene-verfilmung "The Quiet American" (2002). Hier will ein von Michael Caine gespielter resignierter britische Berichterstatter im Saigon des Jahres 1952 zwar Neutralität zwischen Vietnam, der französischen Kolonialmacht und den sich zunehmend einmischenden Amerikanern bewahren, muss aber schließlich in dem souverän Thriller, melodramatische Liebesgeschichte, historischen Hintergrund und menschliches Drama verknüpfenden Film erkennen, dass er gerade im Sinne der Menschlichkeit Position beziehen muss.

Verzweifeln kann dabei der Journalist freilich bei der Suche nach der Wahrheit und nach ethischem Verhalten. Da weiß der Protagonist (Bruno Ganz) in Volker Schlöndorffs "Die Fälschung" (1981) zwar genau, dass sich Bilder vom Krieg im Libanon gut verkaufen, dennoch kommen ihm zunehmend Zweifel an der ethischen Richtigkeit seines Verhaltens. – Nicht nur bei Kriegsberichten, sondern bei jedem Bericht, muss sich der Journalist wohl diese Frage stellen und auch die Wirkung und Folgen seines Artikels bedenken.

Trailer zu "While the City Sleeps"