3. Juli 2019 - 7:37 / Rosemarie Schmitt / Musikuß

Ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich alle meine Lieblingssongs auf eine Musikkassette aufgenommen habe, um sie immer und immer wieder zu hören.

Der Pianist Martin Klett liebt den Tango so sehr, daß er ihn gar tanzt. Und er liebt die Musik von Johann Sebastian Bach. Also nahm er seine Lieblingsmusik auf, und ließ sie auf eine CD brennen, denn die Zeit der Musikkassetten ist längst vorbei. Das heißt genauer gesagt, daß er die Musik aufnehmen ließ, und mit der Unterstützung eines hochkarätigen Ensembles selbst spielte.

Auf seinem mittlerweile 10. Album hören Sie Tangos der legendären Tangopianisten Horacio Salgán und Osvaldo Pugliese und zwei Klavierkonzerte von Johann Sebastian Bach. Das Album mit dem Titel Lamento erschien Ende Mai auf CAvi-music.

Martin Klett leitet sein Ensemble vom Klavier aus – so wie es einst nicht nur Johann Sebastian Bach tat, sondern auch die legendären Tangopianisten Salgán und Pugliese.

Die Reihenfolge der Titel ist außergewöhnlich und hörenswert. Willkommen im Abwechslungsreich!

J. S. Bach: Concerto in d minor BWV 1052
5 Tangos in the style of Salgán
J. S. Bach: Concerto in f minor BWV 1056
5 Tangos in the style of Pugliese

Angelehnt an den Tango „Mi Lamento“, trägt das Album den Titel nach dem Element der Klage, das sich wie ein roter Faden durch die Klangwelten zweier so scheinbar konträrer Stile zieht.

Nun klingt das Lamentieren eines thüringischen Sachsen vor mehr als 330 Jahren etwas anders, als die Lamenti der Argentinier des 20. Jahrhunderts. Dennoch, Lamento bleibt Lamento!

Ich finde es wunderbar, dass Martin Klett die Kompositionen weitgehend original beließ. Da Bach kein Bandoneon kannte, lässt Klett es schweigen. Daß sowohl das Bandoneon als auch andere Harmonikainstrumente in der Lage sind, Bachs Kompositionen zu spielen, wissen wir spätestens sei Richard Galliano. Das ist ganz wunderbar, indes nicht, was Klett wollte. Ich glaube, es ging ihm vielmehr um die Ähnlichkeiten des musikalischen Klagens innerhalb verschiedener Epochen und Nationalitäten. Die Sprache der Musik versteht, harmoniert, verbindet und lässt verstehen.

Zu Martin Klett und seinem Kammerensemble formieren sich, für die Musik von Salgán und Pugliese, der Norweger Andreas Rokseth, den Bandoneonisten des Cuarteto SolTango, zwei weitere Bandoneonsolisten: Der renommierte Christian Gerber aus Deutschland und Ville Hiltula aus Finnland (Sexteto Canyengue).

Was für mich das Lamento in erster Linie ausmacht, ist dieses schmerzlich-leidenschaftliche Klagen, jene berührende Melancholie in Moll.

Eine Woche hatten Martin Klett und sein Ensemble Zeit, das Projekt Lamento zu verwirklichen - eine intensive, rauschhafte Woche gemeinsamen Musizierens und tiefen Eintauchens in zwei musikalische Genres.

Das Ergebnis kann sich hören lassen! Ich mag es, zwischen den Tracks, von einem Komponisten zum anderen hin und her zu springen und freue mich, dass die Zeit der Musikkassetten vorbei ist. Was wäre das für ein Hin- und Herspulen!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt



Martin Klett, Lamento
Martin Klett, Lamento
Martin Klett, Foto: Irène Zandel
Martin Klett, Foto: Irène Zandel