Flower Power

Schönheit und Vergänglichkeit, Liebe und Tod. Kein Lebewesen findet in der Symbolik häufiger Verwendung als die Blume – auch zeitgenössische Fotografen wenden sich immer wieder diesem jahrhundertealten Bildmotiv zu. Das ist der Grund für eine erste Übersichtsausstellung zum Thema: das Werk von 18 internationalen Künstlern und Fotografen wird exemplarisch vorgestellt, so vereint diese Auswahl die unterschiedlichen Ansätze innerhalb der zeitgenössischen Blumenfotografie. Die Künstler verbindet die tiefe Faszination für Blumen und deren Bedeutungsvielfalt sowie der Versuch, den traditionellen Topos in unsere Zeit zu übertragen.

Die Geschichte der Fotografie kennt bereits seit ihrer Pionierzeit Aufnahmen von Blumen, angesiedelt meist zwischen Systematik und Erotik, Naturkontext und Materialstudie. In jüngster Zeit ist das Motiv Ausgangspunkt neuer, experimenteller Betrachtungen: Blumenvasen werden zerschossen und im Moment der Zerstörung dokumentiert, Blüten werden mit Farbe übermalt, Blütenstängel und Staubblätter für sexuelle Anspielungen verwendet, Blumen werden in der Natur, beim Vertrocknen, Verblühen oder Verwesen beobachtet, gescannt oder als überbordende Bouquets inszeniert.

Mal tauchen wir ein in illusionistische Bildräume, mal sind wir konfrontiert mit puristischer Strenge – der entscheidende Aspekt jedoch bleibt Vanitas. Die Rose steht wie kaum eine andere Blume für den Dualismus von Liebe und Tod, etwa durch ihre symbolische Bedeutung als "ewiges Band" zweier Liebender, auch über den Tod hinaus – und so taucht sie als Motiv hier auch mehrfach auf. Die Rose wird in einer Bedeutungsmelange von Liebe, Unschuld und Vergänglichkeit außerdem immer wieder mit der Jungfrau Maria in Verbindung gebracht, etwa wenn die biblische Figur in früheren Jahrhunderten im Rosengarten dargestellt wurde. Vor dem Sündenfall hatten die Rosen, einer alten Legende zufolge, keine Dornen, und da Maria von der Erbsünde ausgeschlossen blieb, setzte sich der Typus der "Rosenmadonna" durch, die sich an den Dornen der Blume nicht verletzen konnte.

Hingegen verweist die rote Farbe der Blume auf die Passion Christi. Auch Aphrodite respektive Venus galt im antiken Götterglauben als Rosengöttin; ihre Rose wuchs aus den eigenen Tränen und dem Blut von Adonis, ihrem getöteten Geliebten. Aus Aphrodite/Venus wurde, wenn man so will, die Himmelsgöttin Maria, die bis heute mit dem Rosenmotiv unter anderem über das Rosenkranz-Gebet verbunden ist. Auch für andere Blumenarten, etwa Lilien oder Tulpen, ließen sich vergleichbare historische Bedeutungen herleiten, die in der künstlerischen Intention und späteren Bildrezeption zumindest mitgedacht werden.

Blumen und Blüten, auch diejenigen von Gräsern und Bäumen, tauchen somit in der zeitgenössischen Fotografie in den unterschiedlichsten Kontexten auf. Eine zarte Wucht der Inszenierungen besticht mit Narzissmus und Verletzlichkeit, mit Reduktion und Üppigkeit, mit einer Millisekunde und einigen Tagen Belichtungszeit. Sie führt uns vor Augen, was wir zu sehen und zu schätzen verlernt haben: das Naturschöne und seine bildmächtigen Darstellungen. Die begleitende Publikation "Flower Power", hrsg. von Matthias Harder, DuMont Buchverlag, Köln 2010 ist während der Ausstellung erhältlich.

Mit Fotografien von Jessica Backhaus, Wilfried Bauer, Andrea Baumgartl, Frauke Eigen, Amin El Dib, Stephan Erfurt, Fischli/Weiss, Thomas Florschuetz, Jean-Baptiste Huynh, Martin Klimas, Sofia Koukoulioti, Vera Mercer, Holger Niehaus, Christian Rothmann, Miron Schmückle, Luzia Simons, Margriet Smulders, Michael Wesely

Blumen – Zeitgenössische Fotografie
2. Juli bis 2. Oktober 2011

Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststraße 75
D 10117 Berlin
T 0049 (0)30 200953-33
T 0049 (0)30 200953-34

Öffnungszeiten:
Di bis So 11 – 18 Uhr
Do 11 – 21 Uhr