Mit einer Sonderausstellung, einer Retrospektive und einem begleitenden Katalog würdigt das Deutsche Filmmuseum das facettenreiche Werk von Karl Valentin, dessen Geburtstag sich am 4. Juni zum 125. Mal jährte. Das Projekt widmet sich seinem filmischen und medienkünstlerischen Schaffen (gemeinsam mit Liesl Karlstadt) und geht über die "übliche" Darstellung als Komiker, Kabarettist und Münchner Original hinaus.
"Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut." Derart quere Aussprüche Karl Valentins gehören längst zum allgemeinen Sprachgebrauch. Das Multitalent aus München, das seine hagere Gestalt zur Kunstfigur machte, ist auch jungen Leuten fast 60 Jahre nach seinem Tod noch ein Begriff. Künstlerkollegen wie Bert Brecht oder Kurt Tucholsky schätzten Karl Valentin schon zu seinen Lebzeiten als einzigartiges Phänomen, das sich in keine Schublade stecken lässt.
Valentins künstlerische Karriere begann als Musikclown und Solokomiker. Er debütierte als "lebende Karikatur" auf den Münchner Volkssängerbühnen des frühen 20. Jahrhunderts. Der 1882 geborene gelernte Schreiner blieb Zeit seines Lebens ein "Medienhandwerker". Schon 1902 verulkte er in seiner Soloszene Telefon-Schmerzen die akustischen und technischen Probleme fernmündlicher Verständigung. 1903 ging er mit einer selbst gebastelten Musikmaschine auf Tournee. Fünf Jahre später machte ihn sein Monolog "Das Aquarium" über die Grenzen Münchens hinaus bekannt.
Bereits 1912 richtete Valentin sich in München ein Filmstudio ein. Neben seiner Filmarbeit unternahm er früh medienübergreifende Experimente. So inszenierte er Vorführungen zu Stummfilmen, die er mit Toneffekten auf der Bühne untermalte oder Bühnenauftritte, für die er Filmprojektionen als Hintergrund verwendete oder Geräusche aus dem Off einspielte. Valentin inszenierte "gefakte"-Film-Wochenschauen, die mit erfundenen Meldungen das Publikum erheiterten, oder bot Kino-Vorprogramme mit Dia-Werbung für lokale Firmen an – eine Vorstufe der heutigen Kinowerbung.
An der Wende vom Stumm- zum Tonfilm erfand Valentin als Live-Geräusch-Performance hinter der Leinwand eines Münchener Kinos seinen ersten deutschen Tonfilm "In der Schreinerwerkstätte". Er parodierte die Wochenschau und in der "Fremdenrundfahrt" den touristischen Blick auf seine Heimatstadt München. Dieses intermediale, "moderne Lichtspiel mit Film, Glaslichtbildern und Lautsprecher" von 1929 ist in der Ausstellung wieder zu sehen.
In einem kleinen Kinobereich werden darüber hinaus einige seiner schönsten erhaltenen Stumm- und Tonfilme gezeigt. Nicht realisierte Kinoprojekte sind in Text und Bild präsent: Typoskripte und Zeichnungen zu einem langen Spielfilm nach seinem Bühnenstück "Die Raubritter vor München" sowie medienexperimentelle Ideen wie etwa das noch zu erfindende "Heimkino", einer Art Bildschallplatte als Vorläufer des Videoclips.
Für die Ausstellung und den Katalog konnte auf den kompletten Valentin-Nachlass zurückgegriffen werden, der sich im Theaterwissenschaftlichen Institut der Universität zu Köln befindet. Die Schau, die in Kooperation mit dem Filmmuseum Düsseldorf entstanden ist, präsentiert ihn als Künstler zwischen optischen und akustischen Medien, als Filmpionier an der Schwelle zur medientechnischen Moderne.
Katalog: "Karl Valentin. Filmpionier und Medienhandwerker". 160 Seiten, mehr als 200 farb. u. s/w-Abb., 21 x 27,5 cm, Klappenbroschur; EUR 19,90.
ISBN 978-3-89487-588-6, erschienen im Henschel Verlag, Berlin/Leipzig
erhältlich im Buchhandel, an der Museumskasse oder über buchversand@deutsches-filmmuseum.de
Karl Valentin. Filmpionier und Medienhandwerker
Ausstellung, Filmreihe, Katalog und Veranstaltungen
11. Juli bis 11. November 2007