Filmliteratur als Weihnachtsgeschenk

10. Dezember 2007 Walter Gasperi
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Alljährlich stellt sich Anfang Dezember dieselbe Frage: Was soll man denn heuer wieder zu Weihnachten schenken? – Mit Thomas Binottos "Mach´s noch einmal, Charlie!" gäbe es da beispielsweise einen wunderbaren Film(ver)führer nicht nur für Jugendliche und ein echter Klassiker für Erwachsene ist "Reclams Filmführer". Etwas warten muss man dagegen noch auf die Neuauflage von Alice Bienks hervorragendem Buch zur Filmanalyse.

Als "seit seiner Kindheit geschichtensüchtig" bezeichnet sich Thomas Binotto, Filmkritiker bei der NZZ und der deutschen Zeitschrift "Filmdienst", im Vorwort von "Mach´s noch einmal, Charlie!" – Und süchtig nach Kino und Filmgeschichte kann dieser Film(ver)führer, der heuer für den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg nominiert wurde, nicht nur Jugendliche ab etwa 12 Jahren, sondern auch Erwachsene machen.

Mit dem in Deutschland diskutierten Filmkanon hat Binotto nichts am Hut. Das macht schon das poppige pinke Cover mit "Pippi", der rennenden "Lola" und dem genüsslichen einen Schuh verspeisenden Charlie ("Goldrausch") deutlich. An seinem Zielpublikum, nicht an der Filmgeschichte orientiert sich der Autor, holt es bei seinem Interesse nach Unterhaltung, nach Spaß und Spannung ab und liefert in locker eingestreuten Anekdoten zu Filmgeschichte, Regisseuren und Begriffen wie "Running Gag" oder "Suspense" doch jede Menge Informationen.

In zehn Kapiteln, die thematisch gegliedert sind, vom Trickfilm über den Piratenfilm bis zu Thriller und Coming-of-Age-Geschichte reichen und auch dem Stummfilm entsprechenden Raum einräumen, spannt sich der Bogen. – Die Lust, mit der hier Klassiker präsentiert werden, wirkt ansteckend und weckt das Interesse auf ein Entdecken oder Wiedersehen der vorgestellten Filme. – Und damit einem nicht nur der Mund wässrig gemacht wird, sondern auch der konkrete Filmgenuss folgen kann, hat Binotto bei seiner Auswahl der "100 Filme für Kinofans (und alle, die es werden wollen)" – so der Untertitel des Buches – darauf geachtet mit der Ausnahme des unverzichtbaren "In der Hölle ist der Teufel los" und des Belmondo-Films "Abenteuer in Rio" nur Filme aufzunehmen, die auch als DVD erhältlich sind.

Im Gegensatz zu diesem neuen Buch ist der von Dieter Krusche herausgegebene "Reclams Filmführer" ein echter Klassiker der deutschen Filmliteratur. 1973 erstmals erschienen existiert dieses Nachschlagewerk nun schon in 12. Auflage (2003). Tiefe Einblicke kann man von einem Werk, das auf rund 800 Seiten 1000 Filme vorstellt zwar nicht erwarten, aber es bietet mit seinen kurzen Inhaltsangaben und Kommentaren Basisinformationen zu sehr vielen zentralen Werken der Filmgeschichte.

Wer freilich Kurzinformationen zu den rund 54000 Filmen, die nach 1945 in den deutschen Kinos und im Fernsehen liefen, haben und auch stets auf dem Laufenden bleiben will, dem sei das im Zweitausendeins Verlag erschienene "Das Zweitausendeins Filmlexikon" empfohlen. Um 9,99 Euro erhält man dort für ein Jahr einen Zugang zu allen in der Zeitschrift "Filmdienst" erschienen Kritiken und auch zu den aktuell dort besprochenen Filmen. Nach Ablauf des Jahres ist um den Preis eine Verlängerung um ein Jahr möglich.

Auch zur Filmanalyse ist in den letzten Jahren eine vorzügliche, weil keineswegs trockene Publikation erschienen. – Einziges Manko ist, dass Alice Bienks "Filmsprache. Einführung in die interaktive Filmanalyse" schon vergriffen ist und die Neuauflage erst im Frühjahr erscheinen soll. Anregend ist dieses Buch, weil Bienk nach knappen Erläuterungen zum jeweiligen Thema dem Leser den Ball zuwirft: Er soll anhand der beigelegten DVD Aufgaben zum jeweiligen filmsprachlichen Kapitel lösen. Dieses Learning by Doing bereitet einerseits Vergnügen, steigert andererseits den Lernerfolg und weckt drittens noch die Lust Klassiker wie "Der unsichtbare Dritte", "Spiel mir das Lied vom Tod" oder "Citizen Kane", aus denen man Ausschnitte analysiert, als Ganzes neu zu sehen. – Wenn möglich natürlich nicht auf dem Fernsehschirm, sondern auf einer großen Kinoleinwand.

Binotto, Thomas, Mach´s noch einmal, Charlie! 100 Filme für Kinofans (und alle, die es werden wollen. Bloomsbury Verlag, Berlin 2007, 323 S., Euro 16,90

Krusche, Dieter, Reclams Filmführer. Reclam. Stuttgart 2003 (12. Aufl.). 828 S., Euro 29,90

Das Zweitausendeins Filmlexikon. Zweitauseneins Verlag, Frankfurt/Main. Bestell-Nr.: 180306, Euro 9,99 (für ein Jahr)

Bienk, Alice, Filmsprache. Einführung in die interaktive Filmanalyse. Schüren Verlag, Marburg 2008. 448 S., Euro 29,90 (Momentan vergriffen – Neuauflage in Vorbereitung)