Filmfestival Locarno lockt wieder mit cineastischen Feinheiten

In Locarno läuft noch bis 14. August das diesjährige Filmvestival, das als eines der weltweit wichtigsten Tribünen engagierter Filmkunst gilt. Beim diesjährigen Fest des Filmes handelt es sich um eine ganz besondere Ausgabe: eine Liveausgabe vor Ort, "die das Kino und die Live-Events in der Schweiz wiederbeleben will", so die Festivalorganisatoren. Üblicherweise finden bis zu 9.000 Filmfans auf der malerischen Piazza Grande von Locarno Platz. Aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Regeln ist die Zahl der Plätze in diesem Jahr allerdings entsprechend reduziert.

Für das Festival zeichnet erstmals Giona A. Nazzaro verantwortlich. Er machte früh klar: "Kino ist Unterhaltung". Und die soll in alle Richtungen gehen: Vom hohen Anspruch bis zum schmackhaften Popcorn-Spektakel. Der Italoschweizer leitete zuletzt die Neben-Sektion Settimana beim Film-festival von Venedig.

Eröffnet wurde das diesjährige Filmfestival von Locarno am vergangenen Mittwochabend bei tristem Wetter mit dem italienischen Actionthriller "Beckett". Dabei handelt es sich um italienisches Genrekino mit internationalem Anspruch. Ferdinando Cito Filomarino inszeniert John David Washington als US-Tourist Beckett, der mit seiner Freundin (Alicia Vikander) in Griechenland urlaubt. Nach einem folgenschweren Unfall wird Beckett in eine verworrene Geschichte hineingezogen: Entführer eines Buben, dessen Vater politisch tätig ist, sind hinter ihm her, weil er den Buben gesehen haben will. Eine Hetzjagd beginnt, die Beckett auch mit einer deutschen Aktivistin (Vicky Krieps) zusammenbringt.

Auf der Filmmenükarte von Locarno ist neben "Beckett" noch etliches weitere Vielversprechende zu finden. Beispiesweise spielt der Deutsche Franz Rogowski eine Hauptrolle im österrreichischen Spielfilm "Luzifer", einem Drama um eine Teufelsaustreibung. Oder Luna Wedler verkörpert in der Schweizer Großstadtballade "Soul of a Beast" die tragende Rolle. Mit "Paradis Sale" ist zudem ein neuer Film des Franzosen Bertrand Mandico (Les garçons sauvages) angesagt, und auch vom spanischen Beitrag "Seis dies corrents" darf man sich einiges erwarten.

Hauptanziehungspunkte des Festivals sind natürlich auch in diesem Jahr die Freiluftaufführungen – allerdings will das Wetter bislang nicht so recht mitspielen. Dort feiert jedenfalls auch "Hinterland", der neue Streifen des österreichischen Oscar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky, seine Weltpremiere.
Im Zentrum des Historiendramas steht der einstige Kriminalbeamte Peter Perg (Murathan Muslu), der nach Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrt, sich in der veränderten Welt des Nach-Habsburg-Österreichs nicht mehr zurechtfindet und nach einem brutalen Mord mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird.

Auch der Schweizer Regisseur Stefan Jäger entführt mit dem Streifen "Monte Verita" so wie Ruzowitzky zeitlich in die Anfänge des 20. Jahrhunderts. Er widmet sich den ersten Aussteigern der Zeit wie Hermann Hesse und dem Psychoanalytiker Otto Gross, die am titelgebenden Monte Verita in der Schweiz eine bessere Welt proben.

Das deutsche Kino ist in allen Sektionen des Filmfestivals, das mehr als 200 Kurz-, Spiel- und Dokumentationsfilme zeigt, vertreten, vor allem mit internationalen Gemeinschaftsproduktionen wie beispiesweise "Zeros and Ones" von Abel Ferrara. Darüber hinaus wurde der französischen Schauspielerin Laetitia Casta ein Ehrenring des Festivals überreicht, das am 14. August mit der Vergabe der diesjährigen Leoparden zu Ende gehen wird.