Figurale Keramik aus der Slowakei

Im Rahmen des bilateralen EU-Projekts "Creating the future" (Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Slowakei - Österreich 2007 bis 2013) präsentiert das Österreichische Museum für Volkskunde von 26. Oktober 2011 bis 12. Februar 2012 mit der Sonderausstellung "Figurale Keramik aus der Slowakei. Der Nationalkünstler Ignác Bizmayer" eine Werkschau jenes Keramikers, der mit seinen Figuralplastiken seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts national und international Bekanntheit erlangte.

Die Ausstellung beinhaltet, neben einer umfassenden Auswahl an Arbeiten dieses bedeutenden Figuralisten, auch den jüngst entstandenen kurzen Dokumentarfilm "Ignác Bizmayer - Portrait 2011" über Leben und Schaffen des Künstlers, sowie ein spannendes Begleit- und Vermittlungsprogramm.

Ignác Bizmayer beschäftigt sich seit seinen zahlreichen Forschungsreisen in den 1940er Jahren intensiv mit der slowakischen Landbevölkerung, ihren Trachten, ihren Legenden und ihrer Frömmigkeit. Für sein Werk erhielt er 1982 den Ehrentitel "Nationalkünstler", welcher zwischen 1945 und 1989 in der Tschechoslowakei als höchste Auszeichnung verliehen wurde. Der heute 89jährige Slowake reiht sich damit unter jene Nationalkünstler, die das Bild der Slowakei im Verlauf des 20. Jahrhunderts bis heute entscheidend geprägt haben. Allerdings spart Bizmayer jegliche Industrialisierung, Modernisierung und den Alltag im Realsozialismus aus.

Die Ausstellung gruppiert ausgewählte keramische Einzelfiguren, Figurengruppen, Bildplatten und Wandteller mit Reliefs voller inhaltlicher Spannung und Dynamik nach ethnografischen Themenkreisen. Mit diesem breiten Spektrum an Objekten zeichnet die Ausstellung Ignác Bizmayers Leben parallel zur nationalen Geschichte nach und beleuchtet kulturhistorisch das Prädikat "Nationalkünstler", das nach sowjetischem Vorbild in der Tschechoslowakei verliehen wurde. Den Schwerpunkt der Schau bildet Bizmayers künstlerisch-handwerkliches Oeuvre.

Ignác Bizmayer, geboren am 20. April 1922 in Košolná bei Trnava (damals Tschechoslowakei, heute Slowakei), hatte entscheidende Begegnungen mit Keramik bereits in seiner Kindheit. Zusammen mit seiner Mutter und seinen Verwandten bewohnte er einen sogenannten Habaner Hof, ein Gebäudekomplex aus der Zeit der Täufer. Diese waren Mitglieder einer reformatorischen Glaubensgemeinschaft, die im 16. Jahrhundert als exzellente Handwerker das Hafnergewerbe ausgeübt und die Technik der Fayenceherstellung in die Slowakei gebracht hatten. In den 30er Jahren verfolgte Ignác Bizmayer Grabungen auf dem Habanerhof, die von dem bekannten Keramiker und Hobby-Archäologen Heřman Landsfeld geleitet wurden. Dieser erkannte Bizmayers Interesse und künstlerische Begabung und brachte den 14jährigen an die Keramikschule in der Majolikafabrik nach Modra. Ignác Bizmayer war dort bis 1957 als Keramikmaler tätig und bemalte Krüge, Plutzer, sog. Eulen (Plutzerkrüge) und Teller mit klassischen Habaner Motiven.

Sein zweiter Mentor war Kaplan Jozef Balušík. Mit ihm unternahm der junge Bizmayer seit den 40erJahren Reisen durch die Slowakei. Dabei lernte er Land und Leute, Trachten, Bräuche und Mythen kennen und begann, Figuren in Ton zu modellieren. Im Jahre 1954 wurde Ignác Bizmayer von ÚĽUV, dem Zentrum für Volkskunstproduktion in der Slowakei, mit dem Titel "Meister" ausgezeichnet. Ein Jahr nachdem er 1956 in den Verband der slowakischen bildenden Künstler aufgenommen worden war, verließ er die Majolikafabrik und startete eine Karriere als freischaffender Künstler. Im Jahre 1994 wurde für ihn im Stadtbefestigungsturm von Modra eine eigene Galerie eingerichtet.

Die Verleihung des Ehrentitels "Nationalkünstler" im Jahre 1982 war einer der Höhepunkte im künstlerischen Schaffen des Figuralisten. Einer der ersten Nationalkünstler war der Keramiker Ferdiš Kostka (1878 - 1951) aus Stupava. Seine Darstellungen vom Alltag in der Region Záhorie wurden auf internationalen Ausstellungen gezeigt. Seine Figuren bildeten die Vorlagen für das Modellierstudium im Modraer Keramikbetrieb. Der Maler, der als Begründer der slowakischen Moderne gilt und das Bild der Slowakei im In- und Ausland geprägt hat, war der Nationalkünstler Martin Benka (1888 - 1971). In seinen Gemälden und Postkartenserien verewigte er die slowakische Landschaft mit Hirten und Bauern in erdigen kräftigen Farben. Mit seinen Fotografien schuf ebenso der tschechische Fotograf Karol Plicka (1884 - 1987) ein romantisierendes Bild der slowakischen Bevölkerung. Sein Film "Zem spieva" (die Erde singt) spielt vor einer beeindruckenden Landschaftskulisse und zeigt Menschen in Tracht bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten, im Alltag und bei ihren Festen.

In über sechzig schöpferisch reichen Jahren schuf Bizmayer eine Fülle an zauberhaften keramischen Plastiken, plastischen Kompositionen, gemalten Bildern, Wandreliefs, Reliefkacheln und Relieftellern. Seine Werke befinden sich in vielen Museen und Galerien in der Slowakei und in Tschechien sowie in privaten Sammlungen auf der ganzen Welt. Von der Qualität des Keramikschaffens Ignác Bizmayers zeugt eine Vielzahl verschiedener Ausstellungen, an denen er teilnahm. Das erste Mal stellte er 1950 im Alter von 28 Jahren in Prag auf der kollektiven Ausstellung "Von der volkstümlichen Keramik zur künstlerischen Keramik" aus. Darauf folgten mehrere Einzelausstellungen in der Slowakei sowie im Ausland, beispielsweise in Österreich, Deutschland, auf Kuba, in Ungarn, Schweden, Polen, Bulgarien und der Ukraine. Auf der Weltausstellung EXPO ´67 in Montreal (Kanada) wurde sein Werk im Rahmen der Präsentation der slowakischen bildenden Kunst gezeigt.

Figurale Keramik aus der Slowakei
Der Nationalkünstler Ignác Bizmayer
26. Oktober 2011 bis 12. Februar 2012