Feurige Musik, biederer Film: Berlinaleauftakt mit "Django"

Mitreissend war das Gitarrenspiel des Sinti-Musikers Django Reinhardt, doch enttäuschend bieder ist im Vergleich dazu die Regie des Debütanten Étienne Comar. In den aktuellen Bezügen, die in der historischen Flucht Reinhardts aus dem von den Nazis besetzten Frankreich durchschimmern, ist "Django" aber ein typischer Film für den Kurs von Festivaldirektor Dieter Kosslick.

"Mut, Zuversicht und Humor" nennt Dieter Kosslick als Motto für das heurige Festival. Zumindest die ersten beiden Aspekte bedient schon der Eröffnungsfilm. Denn Django Reinhardt, der von einem physisch dem Musiker täuschend ähnelnden Reda Kateb gespielt wird, lässt sich zunächst von den Nazis nicht grob einschüchtern, spielt im Paris des Jahres 1943 mit seiner Band seine jazzig-bluesigen Rhythmen. Die Machthaber mag diese Musik stören, die Massen sind aber begeistert.

Für eine geplante Deutschlandtournee gibt es freilich genaue Vorgaben bezüglich des musikalischen Programms, zudem rät ihm seine Geliebte (Cecile de France) mit dem Hinweis auf Deportation und Ermordung von Sinti und Roma bald von dieser Tournee ab, empfiehlt ihm vielmehr die Flucht in die Schweiz.

Dass diese Volksgruppe in Deutschland und den von den Nazis besetzten Gebieten in dieser Zeit Freiwild waren, machte freilich schon die Auftaktszene deutlich, in der ein Roma-Lager in einem Wald in den Ardennen überfallen und die Bewohner erschossen wurden. Als Reinhardt davon hört, begibt er sich mit seiner schwangeren Frau und seiner die Geschäfte leitenden Mutter ans französische Ufer des Genfer Sees, um von hier in die Schweiz zu flüchten. Im Lager trifft er auf weitere Roma, die zunehmenden Repressionen ausgesetzt sind, doch die Schlepper, die sie über die Grenze bringen sollen, halten die Flüchtlinge immer wieder hin – doch das Ende wird Hoffnung verbreiten, Zuversicht machen.

Comar forciert den aktuellen Bezug zwar nicht, aber unübersehbar erzählt er in diesem Flüchtlingsschicksal auch vom heutigen Flüchtlingselend. Gleichzeitig erinnert er in einem Schlussfoto mit zahlreichen von den Nazis ermordeten Sinti und Roma an diesen Völkermord, dem etwa 500.000 Menschen zum Opfer fielen.

Schlüssig und rund erzählt Comar diese Geschichte, vermeidet durch die Konzentration auf die Ereignisse im Herbst 1943 ein Abgleiten ins anekdotische Erzählen. So mitreissend, so leidenschaftlich und immer wieder auch schwermütig aber die Musik Reinhardts auch ist, so bieder ist die Inszenierung Comars. Brav reiht er Szene an Szene, verdichtet aber keinen Moment, lässt auch keinem Schauspieler Raum, um seiner Figur Ecken und Kanten zu verleihen.

Vieles wird angeschnitten vom Musiker, der glaubt, sich aus der Politik heraushalten zu können, über sein künstlerisches Genie bei gleichzeitigem Analphabetismus und Unkenntnis der Noten bis zur Dreiecksgeschichte Reinhardts mit Frau und Geliebter, doch verpuffen diese Themen im Nichts, werden nicht weiter entwickelt.

Solide ist das zwar ausgestattet, aber Comar arbeitet nicht mit den filmischen Mitteln wie Licht, Farbe, Kamera oder Schnitt, um hier Akzente zu setzen, sondern beschränkt sich darauf das Drehbuch zu bebildern. Die Leidenschaft, die Lust an der Improvisation und die Freiheit, die Reinhardts Musik auszeichnet, fehlt diesem Film leider völlig. Statt etwas zu spüren, den Zuschauer mitzureissen, sieht man hier nur die Hand eines ordentlichen Handwerkers.

Sicherlich nicht der Film an sich, sondern vielmehr die porträtierte Person und das Thema haben "Django" folglich die Positionierung als publicityträchtiger Eröffnungsfilm verschafft. Eine Richtung soll damit vorgegeben werden, Unterhaltung soll geboten werden, andererseits sollen aber auch Historisches und gesellschaftliche Relevanz nicht zu kurz kommen – zu wünschen bleibt freilich für die kommenden neun Tage, dass die Regisseure bei der filmischen Umsetzung mehr Mut und Leidenschaft an den Tag legen.