Ferdinand Nigg. Gestickte Moderne

Ferdinand Nigg gehört zu den Künstlern, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Stickerei als künstlerisches Medium entdeckten und für die Umsetzung moderner Gestaltungsprinzipien fruchtbar machten. Die reduzierte und abstrahierte Formensprache, mit der Nigg auch eine ausdrucksreiche Gestik und Mimik zur Darstellung bringt, ist ein grosses Faszinosum seines Werks.

Ferdinand Nigg, 1865 in Vaduz geboren, war Maler, Grafiker, Textildesigner, Buchgestalter und Typograf. Nach seiner Ausbildung in Zürich sowie Aufenthalten in München und Augsburg liess er sich als freischaffender Künstler in Berlin nieder. 1903 wurde Nigg als Professor für Buchgewerbe und Textil an die fortschrittliche Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg berufen. Hier, in der Hochblüte seines öffentlichen Schaffens, wirkte er im Vorfeld des Deutschen Werkbundes als Gestalter an der Schnittstelle von Künstlerentwurf und industrieller Produktion. 1912 folgte er dem Ruf an die Kunstgewerbeschule in Köln und wurde dort erster Inhaber des Lehrstuhls für Paramentik (Textilien im kirchlichen Bereich). Nach seiner Pensionierung im Jahre 1931 kehrte Nigg nach Liechtenstein zurück, wo sein Spätwerk entstand.

Das Kunstmuseum Liechtenstein widmet Nigg anlässlich seines 150. Geburtstags eine grosse Überblicksschau, die in enger Zusammenarbeit mit dem Archiv-Atelier, Vaduz (Prof. Ferdinand Nigg-Stiftung und Kanonikus Anton Frommelt-Stiftung) realisiert wird. Die Ausstellung hebt eine Facette von Niggs Schaffen hervor, welche ihn nicht nur als Professor und als Entwerfer christlicher Stickkompositionen ausweist, sondern im Wesentlichen als autarken Künstler. Denn parallel zu seiner Lehrtätigkeit schuf Nigg grossteils im Verborgenen ein zeichnerisches und gesticktes Werk. Es ist durchdrungen von einer profunden Kenntnis der Stickkunst und zugleich geprägt von der frühen Abstraktion.

Auf dem Kreuzstich als einer minimalistischen Grundstruktur aufbauend, fand Nigg zu einem aussergewöhnlichen Zusammenspiel von Figuration und Abstraktion, das sich zunehmend in biblischen Bildmotiven äusserte. Dabei sind die vielfältigen Kunstrichtungen, die sich in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts entwickelten – sei es der Expressionismus, der Kubismus oder etwa der Konstruktivismus – im Schaffen des Liechtensteiner Künstlers spürbar. Gleichwohl ist sein Werk keinem dieser Stile zuzuordnen, vielmehr überrascht es in seiner Eigenständigkeit.

In drei Sälen mit unterschiedlichen Präsentationsformen wird die Ausstellung die Vielfältigkeit dieses Oeuvres spiegeln. Zum Auftakt im ersten Saal wird eine eigens konzipierte Ausstellungsarchitektur für die abstrakten und ornamentalen Arbeiten auf Papier, Kleistermalereien und Musterentwürfe, einen besonderen Raum der Betrachtung erzeugen. Der zweite Saal ist den gestickten Wandbehängen und grossformatigen Entwurfszeichnungen gewidmet, während im dritten Saal Zeichnungen, Entwürfe, kirchliches Textil, Mustertücher und grafische Arbeiten auf Schautischen ausgebreitet sein werden. Auch Auszüge aus Niggs Textilsammlung und aus seinem bislang nicht gezeigten Bildfundus montierter Zeitungsausschnitte werden hier zu sehen sein. Sie erlauben einen Einblick in seine weit gestreuten Interessenfelder und Inspirationsquellen wie auch seinen künstlerisch-konzeptuellen Ansatz.


Ferdinand Nigg. Gestickte Moderne
11. September 2015 bis 24. Januar 2016