Ferdinand Hodler und die Berliner Moderne

Ferdinand Hodler ist heute unbestritten der populärste Maler der Schweiz und gilt neben Paul Cézanne, Vincent van Gogh oder Edvard Munch als Schlüsselfigur der modernen Kunst. Was heute kaum noch bekannt ist: Hodlers Weg zum Ruhm führte über Berlin.

Ferdinand Hodlers (1853–1918) ausdrucksstarke Figurenbilder, Berglandschaften und Porträts sind Ikonen der Moderne. Bereits zu Lebzeiten fand das Werk des Schweizer Malers, der den Symbolismus mitgeprägt hat, international große Beachtung. Von 1898 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs stellte der Künstler nahezu jährlich in Berlin aus.

Zeitgenossinnen und Zeitgenossen sahen in Hodler vor allem den "Menschendarsteller, der durch den Körper die Seele zu gestalten weiß", so der Künstler Paul Klee 1911. Hodler setzte mit seiner Kunst auf Vereinfachung und Größe. Die zeitlos eleganten Haltungen und zarten Gesichter seiner Tänzerinnen und Jünglinge fesseln bis heute. Sie wirken archaisch, oft ernst und doch auch beseelt, voller Leichtigkeit und Leben. Hodler schöpfte für seine Kunst aus der Natur, als deren Teil er den Menschen verstand.

Die Ausstellung in der Berlinischen Galerie präsentiert den Künstler erstmals als eine feste Größe der Berliner Moderne. Zu entdecken sind eine Auswahl seiner bedeutendsten symbolistischen Figurenbilder, die Hodlers Erfolg in der deutschen Reichshauptstadt begründeten, seine unverwechselbaren Berglandschaften und herausragende Porträts. Die Ausstellung zeichnet die Erfolgsgeschichte des Schweizers an der Spree nach. Hier waren seine Werke zunächst in der Großen Berliner Kunstausstellung, dann in der Berliner Secession und in renommierten Galerien der Stadt wie den Kunstsalons Fritz Gurlitt und Paul Cassirer zu sehen. Bereits in seiner Zeit wurde Hodler als typischer Ausstellungskünstler wahrgenommen, der über die schweizerischen Landesgrenzen hinaus europaweit Karriere machte.

Nach ersten Erfolgen in der Heimat, wo Hodlers Werk kontrovers diskutiert wurde, baute er Beziehungen nach Paris, München, Wien und Berlin auf und zeigt seine Werke dort im Umfeld führender Avantgardevereinigungen. Die eher preußisch-nüchterne Mentalität in Berlin machte es Hodler zunächst schwer, sich mit seinen symbolistischen Figurenbildern durchzusetzen. Der Schweizer polarisierte. Er begeisterte Künstler:innen und Kritiker:innen, die der Moderne aufgeschlossen gegenüberstanden. Das breite Publikum, das sich in Berlin noch mit Naturalismus und Impressionismus vertraut machte, konnte er erst nach und nach gewinnen. Als der Galerist Paul Cassirer 1907 Hodlers naturalistisches Frühwerk sowie Porträts und Landschaften in eine Gruppenausstellung einbezog, erfuhr der Künstler breitere Akzeptanz in der Stadt. Cassirer war es auch, der Hodler 1911 eine umfangreiche monografische Schau ausrichtete. Als Teil einer größeren Ausstellungstournee, die Köln, Frankfurt am Main, Berlin und München umfasste, berücksichtigte sie alle Facetten des Hodler’schen Werks. Besonders herausgehoben wurden die Landschaften, die sich in Sammler:innenkreisen großer Beliebtheit erfreuten.

In der zweiten Hälfte der 1900er Jahre kündigte sich in Berlin der Expressionismus an. Für die Kunstszene der Metropole führte dies um 1910/11 zu einem Paradigmen- und Generationenwechsel.

Hodler galt aufgrund seiner spannungsgeladenen Umrisslinien, die uns heute fast comic-haft erscheinen, und seiner freien Farb- und Formensprache bereits damals als Wegbereiter von Expressionismus und Abstraktion. Als der Schweizer unmittelbar nach Beginn des Ersten Weltkriegs zusammen mit anderen Künstlern und Intellektuellen in Genf einen Protest gegen die Beschießung der Kathedrale von Reims durch deutsche Truppen unterzeichnete, löste dies in Deutschland eine Welle der Entrüstung aus. Die Presse machte daraus den "Fall Hodler", der unter anderem dazu führte, dass der Maler aus deutschen Künstler:innenvereinigungen ausgeschlossen wurde. Bei Kriegsende war der im Mai 1918 verstorbene Künstler in Deutschland jedoch weitgehend rehabilitiert.

Ferdinand Hodler und die Berliner Moderne
Bis 17. Jänner 2022