Fantastische Fantasien

15. Oktober 2014 Rosemarie Schmitt
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"Zupft die Fiedel, singt ein Liedel, lasst die Sorgen all" zu Haus!" So heißt es in dem deutschen Volkslied "Heute wollen wir das Ränzlein schnüren". Doch keine Sorge, Sie müssen Ihr Ränzlein nicht schnüren, Sie dürfen entspannt sitzen bleiben und lesen, was ich zu dem neuen Album "Homecoming" (Decca / Universal-Music) von Nicola Benedetti zu sagen, beziehungsweise zu schreiben habe.

Nicola Benedetti wurde 1987 in West Kilbride in der schottischen Grafschaft North Ayrshire geboren. Ihr Vater ist Italiener und die Mutter eine Schottin. Sie (Nicola, nicht die Mutter) fiddelt auf der Geige. Ich meine nicht fiedeln, denn dieses Verb würde ich verwenden, wenn ich mich über ihr Spiel lustig machen, und es nicht gar so ernst nehmen würde. Fiddeln hingegen ist etwas anderes. Im unsrigen deutschen Sprachgebrauch ist mit dem Substantiv fiddle meist die Violine und nicht die Fidel gemeint.

Um ein schnelles temperamentvolles Spiel zu ermöglichen, halten viele Fiddler ihre Bögen oberhalb des Frosches, statt, wie es die klassichen Geiger tun, unterhalb. Es gibt einige Unterschiede in Technik und Spielweise. Auffallend ist etwa der Verzicht der Fiddlespieler auf das bei klassischen Geigern so beliebte Vibrato (welches für mich allzu häufig wie "die Suche nach dem richtigen Ton" klingt). Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Für Nicola Benedetti, die bereits Geige spielt seit sie 4 ist, war es sicherlich kein leichtes Unterfangen, sich diese andere Spielweise anzueignen, sind ihr doch die Abläufe und Techniken des klassischen Geigenspiels in Herz und Blut übergegangen.

Das Herzstück des Albums sei die Schottische Fantasie von Max Bruch, heißt es. Diese Fantasie für Violine, Orchester und Harfe angelehnt an schottische Volksmelodien, schrieb Bruch im Winter 1879/80. Es war nicht der Winter, sondern vielmehr der Sommer seines Lebens, denn Bruch war 42, und weitere 40 Lebensjahre sollte er noch vor sich haben (wie man heute weiß). Jene Fantasie, also die Schottische, nicht die meine, soll Pablo de Sarasate auf den Leib geschrieben worden sein, der das Werk im September 1880 zur Uraufführung brachte.

Bruchs Schottische Fantasie geht an’s Herz, ohne Zweifel, und "Mouth Music and Tunes Set" sofort in’s Blut, jedenfalls in meines. Denn ganz und gar geweckt werden meine schottischen Fantasien ab dem Titel Nr.11, ab dem Julie Fowlis mit in’s musikalische Boot steigt. Die 1979 geborene Julie Fowlis ist eine schottische Folksängerin und Oboistin. "Mouth Music and Tunes Set" (Titel Nr.11) besteht aus 4 Tracks; einer Mischung aus traditionellen schottischen Songs (1 und 3) und neuen Kompositionen von Phil Cunningham & Iaian MacDonald (2) sowohl von Phil Cunningham alleine (4).

Die Auswahl des Repertoires und der Interpreten, diese sehr gelungene Symbiose aus klassisch, traditionell und modern ist wundervoll erfrischend. "Homecoming – A Scottish Fantasy" von Nicola Benedetti ist ein Muß für Klassikliebhaber und mein Tipp für die Fans der schottischen Folkmusic, die wahrscheinlich den letzten Titel der CD ("Loch Lomond") von der Folk-Rock-Band Runrig kennen.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt