Fabio & Antonio, ein "erstklassisches" Team

12. Dezember 2012 Rosemarie Schmitt
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Das erste was man von ihm sah, waren wahrscheinlich seine feuerroten Haare, weshalb man ihn in seiner Heimatstadt Venedig auch "Prete rosso", den "roten Priester", nannte. Das war freilich einige Jahre später, denn er wurde ja nicht als Priester geboren. Das letzte, was man von ihm hörte, war seine Oper "L’oracolo in Messenia". Antonio Vivaldi starb während der Bemühungen diese, seine letzte Oper, in Wien zur Aufführung zu bringen.

Nachdem er "L’oracolo in Messenia" in Venedig komponierte, wurde diese eben dort am 30. Dezember 1737 im Teatro di S. Angelo uraufgeführt. Etwa 2 Jahre später verließ Vivaldi seine Heimat, um jenseits der Alpen sein Glück als Komponist zu suchen. Für uns ist es heute schier unvorstellbar, daß Italien diesen großen Komponisten kaum mehr wahrnahm. Ja, der Prophet im eigenen Lande...

1740 stellte er "L’oracolo in Messenia" in Wien vor, allerdings "pimpte" er diese dazu etwas auf. Er nahm eine Prise Giacomelli, eine Nuance Hasse, einen Hauch Broschi, etwas Ballett und einige Arien, machte aus Argia eine Elmira. – und fertig war ein wohl bekömmliches Wiener Pasticcio. Heutzutage hätte jene Oper Vivaldis eine Welle der Empörung ausgelöst! Plagiatismus wo man hinhört, wenn man hinhört, denn die Partitur von Gemeniano Giacomellis Oper "Merope" liefert sämtliche Rezitative für Vivaldis "L’oracolo".

Vivaldi ging also nach Wien, in der Hoffnung, den österreichischen Kaiser für neue Aufträge zu gewinnen. Dieser war auch durchaus interessiert, einzig, was einer Aufführung von Vivaldis Oper im Wege stand, waren die Pilze. Pilze, die der Gönner und Kaiser Karl VI. aß und starb. Der Kaiser schloß die Augen und die Theater des Kaiserreiches ihre Pforten. Wo also hätte Vivaldis Oper nun aufgeführt werden sollen? Ein zweimaliger Versuch (im Februar 1741), seinen bis dahin besten Kunden, dem Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen, um Unterstützung zu bitten, scheiterte. Der Herzog hatte just andere Probleme, und der "alte Vivaldi" war ihm bloß lästig.

Alt und krank starb er 5 Monate später, am 28. Juli 1741 in Wien. Zuvor hatte er, um des Überlebens Willen, noch einige seiner Partituren für einen Spottpreis quasi verschleudert. Zuletzt lebte er in sehr ärmlichen Verhältnissen und wurde mit einem Armenbegräbnis beigesetzt. Kein Jahr später, zum Karneval des Jahres 1742, das Kärtnertor-Theater hatte seine Pforten wieder geöffnet, führte man die Oper L’oracolo in Messenia "des verstorbenen Hochwürden Herrn Antonio Vivaldi" auf. Die Zeit der Trauer um Kaiser Karl VI. war vorüber, doch auch Vivaldis Lebenszeit. Jene Zeit, in der Vivaldi über 450 Concerti und 45 Opern komponierte, von denen nur ein Bruchteil zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurden. Die meisten Kompositionen wurden nach seinem Tod entdeckt, viele davon gar erst in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts.

Von Vivaldis letzter Oper "L’oracolo in Messenia" sind, sowohl von der Originalversion, die Vivaldi in Venedig schrieb, als auch von der Wiener Fassung, sind nur noch Fragmente erhalten. Wer, wenn nicht Fabio Biondi, ist geeignet, Vivaldis letzte Oper zu rekonstruieren! Biondi, der Vivaldi-Spezialist machte sich an die Arbeit und rekonstruierte die Wiener Fassung von 1742. Im vergangenen Dezember stellte er diese beim Opera Rara Festival in Krakau mit seinem Originalklangensemble "Europa Galante" vor.

Für all jene, die nicht die Möglichkeit hatten, diese wundervolle Aufführung in Krakau zu erleben, oder sie eben noch einmal und immer und immer wieder erleben möchte, gibt es nun die Gesamtaufnahme von "L’oracolo in Messenia" unter der Leitung von Fabio Biondi mit dem Europa Galante auf CD (Virgin Classics, ein Label von EMI). Wer Barock-Opern mag, wird diese Einspielung lieben. Vivaldis Oper sprüht vor Leben und barocker Lebensart. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie sich nach den letzten Takten bei Standing Ovations im Wohnzimmer ertappten. Das muß Ihnen dann nicht peinlich sein, es sieht Sie ja niemand (vielleicht), und verständlich wäre es allemal!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt