F*** Crossover

29. Mai 2008
22.05.2008 bis  01.06.2008
Bildteil

In den Kellerräumlichkeiten der Feldkircher Galerie Chibulsky werden bis 1. Juni 2008 vier Künstlerpersönlichkeiten aus Vorarlberg präsentiert, die zu dem gemeinsamen Ausstellungsprojekt "F*** Crossover" zusammengefunden haben: Roland Adlassnigg, Barbara Husar, Wolfram Reiter und Gerhard Skok. Der Begriff Crossover — er kommt ja bekanntlich aus der Musik und bezeichnet die Verschmelzung verschiedener Musikgenres und Stile — meint hier in gewisser Weise das Überschreiten von Grenzen, das Durchqueren von Übergängen. Auch kommen bei dieser Ausstellung verschiedene Medien in den Dialog: Malerei, Installation, Video, Zeichnung, reproduzierte bzw. reproduzierbare Grafik.

Zunächst zeigt Roland Adlassnigg eine installative Arbeit, die gewissermaßen einen Screenshot seines seit fünf Jahren entstehenden Work-in-Progress darstellt. Einmal mehr beschäftigt sich Adlassnigg hier mit den in immer neuen Konstellationen eingesetzten Requisiten seines künstlerischen Schaffens: Kaffee, Zigaretten, Schnaps. Seit der 2004 gezeigten Ausstellung "Nachschub/Emotionsdepot" in der Feldkircher Remise, wo er Kisten zeigte, in denen 78 Flaschen mit selbst gebranntem Schnaps, 160 Illy-Kaffeedosen und 700 Gitanes-Schachteln verstaut waren, sind die drei legalen Sucht- bzw. Genussmittel zu Leitthemen in seinem Schaffen geworden und begleiten ihn als materielle Obsessionen. In jede neue Arbeit wird ein Teil des vorangegangenen Projekts integriert.

Ganz anderer Natur ist Barbara Husars Beitrag zu dieser Ausstellung. Während das Video, das Sie oben empfangen hat, die Evolution der Schnallenmenschen zeigt, ist Husars aktuelle Arbeit hier unten ein druckgraphisches Crossover durch alle ihre bisherigen Schaffensphasen. Hier verdichten sie sich zu einem bunten Motivteppich. Viele von Barbara Husars Arbeiten stehen in Zusammenhang mit dem am Sinai lebenden Beduienenstamm der Tarrabeen, mit dem sich die Künstlerin seit über zehn Jahren intensiv auseinandersetzt. Im mehrjährigen Projekt "Data Exchange" thematisierte sie die kulturelle Bedeutung und Funktion von Nabelschnüren von Wüstenziegen, die zu Sinnbildern für aktuelle mediale Praktiken bzw. Kommunikationsmechanismen wurden. Dabei schuf sie eine Verbindung zwischen dem neurotischen Rhythmus urbaner Abläufe und dem archaischen Rhythmus in der Wüste. Die aus dieser Auseinandersetzung entstandenen Objekte, Blätter, Bilder und Filme, lassen sich vielleicht unter dem Begriff "beduin popart" subsumieren.

Auch Wolfram Reiter bedient sich eines grafischen Mediums. Seine surreal-pornographische Zeichnungen liefern einen unzensierten Blick in menschliche Abgründe. Zum Teil sind es 2003 entstandene Arbeiten, die Serie "Sex, pigs and death", — es sind die Zeichnugnen mit weißem Stift und Pastellkreide auf scharzem Papier — sind jüngere Werke. Zentrale Themen in Reiters Arbeiten sind Eros und Thanathos (also der Tod) und zeigen gefesselte menschliche Körper, Skelette, Schweine. Reiters Zeichnungen bauen selten auf Andeutungen oder Symbole auf, sie gehen sparsam mit Metaphern um, sind obsessiv, explizit und direkt. Den Fin-de-Siècle-Künstler Franz von Bayros nennt Reiter als Vorbild. Im Unterschied zu ihm verzichtet jedoch Wolfram Reiter auf jede Frivolität, die für den großen Erotomanen Bayros oft charakteristisch ist. Vielmehr lassen sich in Bildkomposition und Sujets Bezüge zu japanischen Shunga-Darstellungen herstellen; meist waren es Ukio-es, also Farbholzschnitte aus der Edo und Meji-Ära, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert auf explizite Weise sexuelle Praktiken zeigten. Oder zu Hans Bellmer, den surrealistischen Fotografen, der v.a. durch seine Fotografien lebensgroßer Puppen bekannt ist, die er in ihre Einzelteile sezierte und neu zusammensetzte. Wie bei Bellmer treffen wir auch in Wolfram Reiters Zeichnungen auf einen schonungslosen Akt der Zerstörung. Es entstehen Bilder mit suggestiver und verstörender Kraft, die voyeuristisch Schaulust herauf beschwören. Zugleich erden seine entfesselten Erotikphantasien zu einem schaurigen Memento mori. Was er mit seinen Bildern offenbart, ist nicht schamlose Lust, sondern der unverhohlene Schrecken menschlicher Abgründe.

Und um Abgründiges und Surreales geht es auch bei Gerhard Skoks Arbeiten. "berg lo.fi.", "idylle", "this is your future office", so hießen Gerhard Skoks vorangegangene Zyklen. In der Ausstellung sind Werke aus dem vierten Zyklus zu sehen. Folgen wird ein weiterer, letzter Zyklus, der sich mit psychedelischer Formensprache beschäftigen soll. Der vorliegende Zyklus, der vierte also, trägt den Titel "Eindringlinge". Es sind z.T. großformatige Acrylbilder, die surreale Szenen zeigen: Wir sehen Menschen in unterschiedlichen Situationen, einzeln oder in kleinen Gruppen, die verloren dastehen, unterschiedlich groß, losgelöst von jeder Perspektive, manchmal vor Stadt- oder Dorfansichten oder Architekturen. Und als Versatzteile finden wir Gerätschaften wie Laptops, Waschmaschinen, Autos, Kühlschänke, Fernseher. Eine Disco-Kugel. Ein Schaukelpferd. Diese Bildelemente sind manchmal gemalt, meist aber collagiert. Darüber eine lasierte Farbschicht. Und dann die großen, oft bunten, die Bildkomposition dominierenden Schmetterlinge. Das sind die Eindringlinge. Skok bezieht sich dabei auf eine Kurzgeschichte des amerikanischen Science-Fiction-Autors Philip K. Dick aus den 50iger Jahren. Der Altmeister der düsteren Fiction Philip K. Dick ist vielen ein Begriff, weil seine Geschichten oft verfilmt wurden, auch in Hollywood von Ridley Scott, Steven Spielberg oder Paul Verhoeven. Filme wie Blade Runner, Matrix, The Truman Show oder MInority Report gehen etwa auf Dicks Geschichten zurück.

Die Ausstellung "F*** Crossover" liegt die Intention inne, jenseits von Etikettierungen neue Wege zu beschreiten, das Vertraute hinter sich zu lassen und sich mit dem bislang Fremden auseinanderzusetzen. Und da findet sich in der Begegnung dieser vier so unterschiedlichen Kunstschaffenden durchaus ein verbindendes Element: Es ist der obsessive Umgang mit den ihren Werken immanenten Thematiken, mit Materialien, mit Geschichten. Stefania Pitscheider Soraperra


F*** Crossover
22. Mai bis 1. Juni 08
Öffnungszeiten:
Fr bis So 14 - 18 Uhr

Galerie Chibulsky
Bahnhofstrasse 11
A 6800 Feldkirch