Förderungspreis des Landes Steiermark 2019
Die aktuelle Ausstellung in der Neuen Galerie Graz zeigt erstmals ausschließlich die preisgekrönten Arbeiten – die aus insgesamt 136 Einreichungen ausgewählt wurden – und unterscheidet sich damit von den bisherigen Förderungspreis-Ausstellungen.
Die vier Preise des Landes Steiermark werden durch zwei weitere Preise privater Sponsoren ergänzt. Der diesjährige Förderungspreis des Landes Steiermark für zeitgenössische bildende Kunst geht an das Künstlerkollektiv "Total Refusal" (Robin Klengel, Leonhard Müllner und Michael Stumpf), die in ihren Arbeiten die digitale Sprache der Spiele aufgreifen und durch humorvolle Subversion in einen eigenen Code verwandeln. In der Ausstellung ist ihre 4-Kanal Videoinstallation "Swings don’t Swing" zu sehen, ebenso wie Werke der weiteren fünf PreisträgerInnen.
"Da es sich bei den ausgezeichneten Kunstwerken überwiegend um (Video-)Installationen handelt, verlangt deren Präsentation autonome Räume. Bei einer derartigen Präsentation kann das Werk aufhören, ein autonomes ästhetisches Objekt zu sein, und beginnen, sich als Ensemble zu manifestieren. Dabei wird ein bestimmter Diskurs mit verschiedenen Mitteln und aus divergenten Perspektiven visualisiert. Alle ausgestellten Werke bewegen sich gekonnt an den Rändern ihres aktuellen sozialen und politischen Hintergrunds entlang: durch analytisches Sondieren aus mehreren möglichen Perspektiven, durch Verschiebungen, Verweben des Fiktiven (Virtuellen) mit dem Wirklichen, Dokumentarischen und Poetischen, mit Ironie und Witz, aber auch voller Ernsthaftigkeit. Die Stimmen der KünstlerInnen dieser Ausstellung sollen als potenzielle ImpulsgeberInnen fungieren, die nicht nur die Fantasie des Publikums beschäftigen, sondern dieses auch zu einem tieferen und komplexeren Denken anregen", so die Kuratorin der Ausstellung Radmila Iva Janković.
Der Förderungspreis des Landes Steiermark für zeitgenössische bildende Kunst besteht seit 60 Jahren und wird in diesem Jahr zum 48. Mal vergeben. Er leistet damit wesentliche Positionierungsarbeit, die für Institutionen wie für Kunstschaffende selbst gleichermaßen bedeutend ist. Viele der PreisträgerInnen sind in der Steiermark und in Österreich keine Unbekannten. Die Beiträge zeigen, auf welch hohem Niveau sich die Szene in der Steiermark bewegt.
Total Refusal (Robin Klengel, Leonhard Müllner, Michael Stumpf)
Die Gruppe verwendet in ihrer künstlerischen Praxis die digitale Sprache der Spiele und verbindet diese mit der charakteristischen Ikonografie des Krieges. Die lange Tradition der Kriegs- und Schlachtendarstellung innerhalb der abendländischen Kunst erfährt hier eine anarchische Umkehrung. Das Mainstream-Medium Videogame wird dabei von den Künstlern formal aufgenommen und durch humorvolle Subversion in einen eigenen Code verwandelt. Szenen, die sehr aggressiv und gefährlich anmuten, lösen sich ins Gegenteil auf. Ihre künstlerische Sprache ist höchst aktuell und stellt bekannte Themenzusammenhänge in verblüffender Visualität dar.
Julia Gaisbacher
Diesmal soll die Summe für Kunstankäufe nicht geteilt werden. Es soll eine einzige Künstlerin sein, von der ein signifikantes Werk bzw. eine Werkserie erworben wird. In ihren zahlreichen Auslandsaufenthalten – bspw. in Beograd – arbeitet Julia Gaisbacher sehr konzentriert und konsequent an ihren umfangreichen dokumentarischen Projekten. Aus der nötigen Distanz, die sie als objektive Beobachterin einnimmt, fängt sie in sehr sensibler Art Veränderungsprozesse ein, die bereits im Gange sind oder sich gerade konfigurieren. Ihre Fotos bzw. Fotoserien sind von hohem Dokumentationswert und gleichzeitig sehr poetisch. Die poetische Note bezieht sich vor allem auf die dargestellten Menschen, die in ihrem Alltagszusammenhang gezeigt werden. Ihr Bemühen oder auch Unvermögen, sich den jeweiligen Situationen anzupassen und damit umgehen zu können, steht oft im Zentrum des künstlerischen Interesses von Julia Gaisbacher.
Nayarí Castillo und Lena Violetta Leitner
Beide Künstlerinnen reflektieren die soziopolitische Realität auf sehr kritische Weise. Nayarí Castillo, die in Graz lebt und arbeitet, begleitet ihre künstlerische Praxis mit wissenschaftlicher Forschung. Sie macht dabei Verdecktes sichtbar, Vergessenes erfahrbar und arbeitet innerhalb ihrer Recherchen auch mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zusammen, die sie in ihre partizipativen Projekte integriert – bspw. Gifts for Graz (rotor, 2016). Lena Violetta Leitner, die aus Graz stammt und in Wien lebt und arbeitet, fragt in einem ihrer jüngsten Projekte: Was ist "natürlich" und was ist "fremd"? Sie legt ihre Projekte oft als Langzeitstudien an, die an wissenschaftliche Forschungsstrukturen erinnern. Ein fiktionales Forschungszentrum – IZMP (Integrationszentrum für Migrierte Pflanzen) – steht dabei im Mittelpunkt. Die Übertragung allgemeiner Problemzusammenhänge auf Pflanzen, die wissenschaftliche Sprache, der ironische Witz und der multimediale Zusammenhang machen diese Kunst zu einer Kritik an sozialen Klischees und politischen Stereotypen.
Susanna Flock
Die Verbindung von virtuell erzeugten Bildern und Wirklichkeit ist ein häufiges Thema in der Arbeit von Susanna Flock. Ihre Videoarbeiten und räumlichen Installationen befassen sich mit der "Verdinglichung" von virtuellen Tools aus Videospielen. Ihre neueste Videoinstallation "I don’t exist yet" ist eine Geschichte aus der Perspektive eines formlosen Objekts, das als Ersatz (Standin) bzw. als Basis für alle weiteren Handlungen im Prozess der Computergenerierung des Bildes dient. Diesem Prozess verdankt das Bild schlussendlich seine Identität. Der Ersatz bzw. das Stand-in wird als ein etwas komischer, plumper, grüner Körper dargestellt, etwas, das sich auf halbem Wege dazu befindet, etwas zu werden, aber noch nichts ist. Es scheint, dass uns die Künstlerin durch diese witzige anatomische Sektion der virtuellen Wirklichkeit bzw. durch den Hinweis auf deren eigentliche Umgebung, die der Phase der Bildgenerierung vorausgeht, zumindest für kurze Zeit von der Illusion des Virtuellen abkoppeln und der Realität unserer Körper gegenüberstellen möchte, vielleicht auch als Hinweis auf die Hybridität unserer (vielleicht schon) gespaltenen Identitäten.
Lotte Schreiber
Hybridität und Ambivalenz scheinen die dominanten Qualitäten von Lotte Schreibers Installation zu sein, hier allerdings als Methode zur Aufdeckung und Nacherzählung der Vergangenheit. Ihr Film zeigt das italienische Städtchen Sabaudia, das von Mussolini als Landwirtschaftszone in einem ehemaligen Sumpfgebiet errichtet wurde. Mithilfe einer einfachen, aber eindrucksvollen Erzählstruktur bringt uns die Künstlerin unmerklich dazu, stereotype Denkmuster zu verlassen und Erscheinungen, die wir immer öfter erleben, auf tiefere und komplexere Weise zu reflektieren.
Förderungspreis des Landes Steiermark für zeitgenössische bildende Kunst 2019
Kuratorin: Radmila Iva Janković
29. November 2019 bis 8. März 2020
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