Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne in München widmet sich dem Potenzial des Exzentrischen als Ästhetik der Freiheit. Der Schwerpunkt der Schau mit rund 100 Werken von 50 internationalen Künstler:innen liegt auf der zeitgenössischen bildenden Kunst über das gesamte Gattungsspektrum hinweg mit Werken aus Malerei, Skulptur, Installation, Performance und Medienkunst. Mit einzelnen Werken aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert werden auch historische Bezüge deutlich, zudem erweitern Designobjekte das Spektrum des Exzentrischen. Die Schau zelebriert die Vielfalt und Vielschichtigkeit grundlegender Aspekte menschlicher Existenz wie Körper, Identität, Schönheit oder Umwelt.
Grundgedanke der Ausstellung ist die Überzeugung, dass Exzentrik eine intellektuelle Haltung ist, die sich Ideologien jeglicher Art verweigert. Sie basiert auf der Freiheit des Denkens und Schaffens und tritt damit für die Freiheit der Demokratie und des Humanismus ein. Diese Freiheit jenseits von Ideologien setzt Energien von transformativer Kraft frei. Sie bewegt sich nicht in den hierarchisch-autokratischen und binären Strukturen des „Entweder-Oder“, sondern in den vernetzten und nicht-binären Strukturen des „Sowohl-als-auch“.
Die Geschichte des Begriffs reicht weit zurück, ist aber bis heute nicht eindeutig zu fassen. Im antiken Griechenland nannte man einen Himmelskörper, der sich - anders als im geozentrischen Weltbild angenommen - nicht um die Erde dreht, „ékkentros“ (von „ék“=aus und „kéntron“=Mitte), also „außerhalb des Zentrums“. Und vielleicht ist gerade das ein Merkmal des exzentrischen Wesens, das sich der Berechenbarkeit und Beherrschbarkeit entzieht.
Schon früh wurde erkannt, dass eine Gesellschaft an Stabilität und Widerstandskraft gewinnt, wenn es ihr immer wieder und an verschiedenen Stellen gelingt, von dem abzuweichen, was als normal gilt. So betont der britische Philosoph John Stuart Mill in seinem Werk „On Liberty“ („Über die Freiheit“, 1859) die Bedeutung exzentrischer Persönlichkeiten für die Entwicklung einer Gesellschaft. Exzentrik und Freiheit sind also seit langem miteinander verbunden - und bilden das Fundament der Ausstellung.
50 für die Ausstellung ausgewählte künstlerische Positionen verdeutlichen die Perspektive des „ex centro“, des Blicks von außerhalb eines fiktiven Zentrums. Die Schau lotet das facettenreiche Spektrum von Identität und Menschsein aus. Dabei experimentieren die Künstler:innen mit allen Medien, unterschiedlichsten Materialien und Techniken. Sie betrachten und bearbeiten ihre Motive und Sujets aus den überraschendsten Perspektiven, verzerren und deformieren sie und fügen sie zu hybriden und amorphen Kompositionen zusammen. Sie verflüssigen Figuren und Formen und feiern die Vielfalt jenseits festgefahrener Normen und Klischees.
In fünf Ausstellungskapiteln kann man die mutige Überschreitung von Normen, die Offenheit für andere Perspektiven und die Unabhängigkeit des Exzentrischen beobachten. Der erste Raum mit dem Titel " Creatures " zeigt die Vielfalt individueller Wesen, deren ambivalente Ausstrahlung fragil und verletzlich wirkt, die aber selbstbewusst ihren eigenen Handlungsraum behaupten. In "Exalted cosmos" geht es um den Raum und seine ästhetischen Maßstäbe, den sich exzentrische Künstlerpersönlichkeiten schaffen, während im Kapitel "Transformative technology" der kreative, grenzüberschreitende Umgang mit Technik und Materialien im Mittelpunkt steht. "Hybrid Beauty" und "Fluid Bodies" schließlich machen den außergewöhnlichen Schönheitsbegriff sowie die Wandelbarkeit und das Selbstverständnis des Körperlichen sichtbar.
Eccentric. Ästhetik der Freiheit
Bis 27. April 2025