Extrablatt - The Front Page (1974)

22. Februar 2018 Walter Gasperi
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Man mag Billy Wilders Verfilmung von Ben Hechts und Charles MacArthurs Vorlage die Herkunft vom Theater ansehen, aber rasante Dialoge, Slapstick und die perfekt harmonierenden Hauptdarsteller Walter Matthau und Jack Lemmon machen solche Schwächen dieser bissigen Abrechnung mit dem Sensationsjournalismus locker wett. Bei Koch Media ist die 1974 entstandene Komödie auf DVD und Blu-ray erschienen.

Schon 1931 verfilmte Lewis Milestone Ben Hechts und Charles MacArthurs 1928 uraufgeführtes Theaterstück "The Front Page" erstmals, 1940 drehte Howard Hawks unter dem Titel "His Girl Friday" ("Sein Mädchen für besondere Fälle") ein Remake, wobei er aus dem Journalisten eine Journalistin machte, während Billy Wilder 1974 wieder zum Original zurückkehrte.

Auf Aktualisierungen verzichtete Wilder, der in seiner Jugend selbst Reporter war. Er lässt seinen Film im Chicago der späten 1920er Jahre spielen, lässt Weltwirtschaftskrise und Gangsterwesen im Hintergrund hereinspielen. Im Zentrum stehen der Reporter Hildy Johnson (Jack Lemmon) und sein Chefredakteur Walter Burns (Walter Matthau).

Während Johnson kündigen und heiraten will, will Burns seinen besten Reporter auf keinen Fall ziehen lassen und schreckt dabei auch nicht vor fiesen Tricks ein. Vor allem über die bevorstehende Hinrichtung eines jungen Mannes, der einen Polizisten ermordet haben soll, der aber als Kommunist schon vorverurteilt wurde, soll Johnson noch berichten.

Mit gewohnter Bissigkeit rechnet Wilder mit der Sensationsgier der Journalisten ab, die sich nicht für die Menschen, sondern nur für eine gute Story interessieren. Skrupellos schreiben sie dafür auch Tatsachen um, Gefühle zeigt einzig die mit dem zum Tode Verurteilten befreundete Prostituierte.

Theaterhaft wirken die Szenen im Büro der Zeitung und im Presseraum des Gefängnisses zwar, doch durch Verknüpfung mehrerer Handlungsebene hält Wilder diese Kinomaschine locker am Laufen und sorgt für Tempo. Denn dem Wunsch Johnsons mit seiner zukünftigen Gattin die Stadt mit dem Nachtzug zu verlassen, kommt bald seine journalistische Leidenschaft in die Quere, als er den entflohenen Häftling im Presseraum findet.

Gleichzeitig schläft aber auch die Konkurrenz nicht, vor der er seine Entdeckung verheimlichen muss, und auch der Bürgermeister, dessen Wiederwahl bevorsteht, und der von ihm abhängige Sheriff möchten hier ein Wörtchen mitreden und die Hinrichtung nützen, um Wählerstimmen zu gewinnen.

Ganz von den spritzigen, teilweise auch derben Dialogen und aberwitzigen Wendungen lebt diese scharfe Satire, die nicht nur mit dem Sensationsjournalismus, sondern auch mit korrupten Politikern und Polizisten abrechnet. Wo andere Filme wie Alan J. Pakulas "All the President´s Men" die aufklärerische Kraft der Presse beschwören, steht hier das negative Zerrbild am Pranger, bei dem es um jeden menschlichen Preis um Schlagzeilen und Steigerung der Verkaufszahlen geht.

Vertrauen kann Wilder dabei auch auf sein eingespieltes Duo Walter Matthau und Jack Lemmon, die sich die Dialoge so richtig um die Ohren fetzen, aber auch die Nebenfiguren vom Bürgermeister bis zum herrlich schrägen Wiener Psychiater, mit dem Wilder wohl auch seine eigene Jugend in Wien in Erinnerung rufen wollte, sind trefflich besetzt.

Mag "Extrablatt" auch nicht zu den großen Filmen des für sagenhafte 21 Oscars nominierten und sechsmal ausgezeichneten Regisseurs zählen, so kommt diese Komödie doch auch 44 Jahre nach ihrer Entstehung noch unglaublich frisch daher, ist kein bisschen gealtert und bietet immer noch schwungvolle Unterhaltung.

An Sprachversionen verfügen die bei Koch Media erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras bieten neben dem englischen Trailer ein ausführliches, deutsch untertiteltes Interview mit Billy Wilder über Grundlagen seiner filmischen Arbeit von der Struktur eines Films über die Rolle des Drehbuchs bis zum Casting.


Trailer zu "Extrablatt - The Front Page"