Marina Abramović ist eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart. Sie blickt auf ein über 55-jähriges Schaffen zurück und hat mit ihren legendären Performances (Kunst-)Geschichte geschrieben. Das Kunsthaus Zürich zeigt die erste grosse Retrospektive der Künstlerin in der Schweiz. Die Ausstellung umfasst Werke aus allen Schaffensperioden und stellt einige der historischen Performances live nach. Zudem wird eigens für das Kunsthaus Zürich eine neue Arbeit entwickelt, die das Publikum direkt einbezieht.
Das Markenzeichen von Marina Abramović (*1946 Belgrad) sind die sogenannten "Long-durational Performances" - anstrengende und zeitintensive Auftritte, in denen die Künstlerin die Grenzen von Körper und Geist auslotet und das Publikum einlädt, diese Erfahrungen mit ihr zu teilen. In ihren frühen Arbeiten testete sie vor allem körperliche Grenzen aus. Berühmt wurde hier die Serie der "Rhythm"-Performances, in denen Marina Abramović ihren Körper extremen Situationen aussetzte und mit verschiedenen Formen des Kontrollverlusts experimentierte. In ihren neueren Arbeiten geht es ihr verstärkt um eine mentale Transformation, um das Thema "Heilung" und um eine neue Selbsterfahrung für die Besucherinnen und Besucher. Mit ihren "Transitory Objects", die Marina Abramović seit Anfang der 1990er Jahre realisiert, fordert sie das Publikum zur Interaktion auf. Sie versteht diese Objekte als Werkzeuge, um sich selbst besser kennen zu lernen. Achtsamkeit, Entschleunigung und damit eine andere Zeit- und Selbsterfahrung spielen in ihren Arbeiten eine zentrale Rolle - lange bevor diese Themen zum gesellschaftlichen Mainstream wurden. Mit der "Abramović Method" entwickelte die Künstlerin zudem ein System, um diese Anliegen gemeinsam mit dem Publikum zu vertiefen und Möglichkeiten zu schaffen, den Moment bewusster zu erleben und sich mit dem Jetzt zu verbinden.
Die umfassende Retrospektive im Kunsthaus Zürich gibt einen Einblick in das vielfältige Schaffen dieser einzigartigen Künstlerin. Zu sehen sind Werke aus allen Schaffensperioden und verschiedenen Gattungen wie Video, Fotografie, Skulptur und Zeichnung. Zudem werden ikonische Performances wie "Imponderabilia" (1977) und "Luminosity" (1997) live re-inszeniert. "Imponderabilia" hatte Marina Abramović gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten Ulay (1943-2020) erstmals in Bologna aufgeführt. Die beiden standen nackt im Eingangsbereich des Museums, einander zugewandt, und die Besucher mussten sich einen Weg durch sie hindurch bahnen. Die Arbeit war eine Metapher dafür, dass die Kunstschaffenden die Grundpfeiler des Museums sind und dass der Eintritt durch diese Tür eine Erfahrung ist, die die Besucherinnen und Besucher in eine neue Welt entführt, nämlich die Welt der Kunst. Diese Erfahrung war und ist in vielerlei Hinsicht "imponderabel" und individuell verschieden, in jedem Fall aber eine starke Begegnung. Mit der speziell für das Kunsthaus Zürich konzipierten Arbeit "Decompression Chamber" lädt Marina Abramović das Publikum ein, einen Moment innezuhalten und zu "dekomprimieren" - sich zu entspannen und in einen anderen Gefühls- oder Seinszustand zu gelangen und so nicht nur sich selbst, sondern auch die Welt neu zu entdecken und wahrzunehmen.
Die Re-Performances werden inzwischen nicht mehr von Marina Abramović selbst, sondern von lokalen Performerinnen und Performern durchgeführt. Die Weitergabe ihres Wissens an eine neue Generation ist der Künstlerin sehr wichtig. Dafür hat sie das Marina Abramović Institute (MAI) gegründet, das den Casting-Prozess der Performerinnen und Performer begleitet und auch Veranstaltungen mit jüngeren Performance-Künstlern organisiert.
Marina Abramović
Retrospektive
Bis 16. Februar 2025