"Erdungen" - Judith Saupper und Nadine Präg im Palais Lichtenstein Feldkirch

Die bildende Künstlerin Judith Saupper und die Mikrobiologin Nadine Präg stellen sich der Herausforderung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung und Kunst. Sie fokussieren den Blick auf die Erde, die Krume zu unseren Füssen: „Kratzen wir an der Oberfläche, betrachten wir den kleinen Haufen Erde in unserer Hand! Welten gehen auf,“ beschreiben die Künstlerinnen den Impetus ihre Arbeit.

Aus Erde geformt

In der Genesis wird der Mensch, Adam (hebr. Adamah, Ackerboden) aus Erde geformt. „Aus Erde bist Du gekommen, zu Erde kehrst Du zurück.“ (1.Mose). Der Blick auf die Erde zu unseren Füssen umfasst mit Nähe, Niedrigkeit und Heimlichkeit jedenfalls alle drei angestrebten Bewegungen der Achtsamkeit. Erde ist Quelle des Lebens, Ernährungsgrundlage, Wasserreinigung, Nährstoffspeicher. Ein Esslöffel beherbergt Milliarden von Lebewesen. In den Religionen gilt die Erde als heiliges Erbe, das zu bewahren, zu schützen ist. Sie ist ein archetypisches Symbol und steht für die Fruchtbarkeit und das Leben, für Vergänglichkeit, Tod und Wiedergeburt. 

Der interdisziplinäre Prozess

Können Biologin und Künstlerin sinnvoll zusammenarbeiten? Kunst und Wissenschaft unterscheiden sich grundsätzlich in Fragestellung, Methode und Ergebnis. „Wir arbeiten effizient, fruchtbar und friktionsfrei zusammen,“ beschreibt Judith Saupper ihren Prozess, „jede kennt ihren Schwerpunkt, die Dinge liegen auf der Hand.“ Solche Leichtigkeit und Inspiration sind nur auf gut vorbereitetem Boden möglich. Beide Damen haben nicht nur die Bereitschaft und Fähigkeit interdisziplinär zu denken und zu arbeiten, sie sind auch bekannt für hervorragende Arbeit in ihrer eigenen Disziplin, Saupper trägt das Staatsstipendium- und den Förderpreis für bildende Kunst, Präg den Kubiena-Forschungspreis, den Dissertationspreis der Uni Innsbruck und den Spezialpreis des Wissenschaftspreises des Landes Vorarlberg. Nadine Präg liefert in dieser Kooperation die wissenschaftlichen Ergebnisse über die untersuchten Erden lege artis, also nach neustem Stand der Forschung. Judith Saupper ist verantwortlich für Ihre künstlerische Umsetzung in Form von Zeichnung und Fotographie. Als Ergebnis der „Erdungen“ werden den Besuchern der Ausstellung zwei Werkgruppen präsentiert. Die „Diagramme“ in Form von Wandzeichnungen und die „Portraits“ in Form von Fotographien.

Mikroorganismen von Haut und Erde

Im Fokus der Arbeiten stehen Bakterien und Pilze. Das Duo sammelt Proben von der eigenen Haut und Friedhofserde: vom gemeinsamen Geburtsort Feldkirch, von Wohnorten, Sehnsuchtsorten und Unorten. Mittels DNA-Analysen vergleicht Nadine Präg im Labor in Innsbruck das Mikrobiom von Haut und Erde. Ihr Resultat sind Diagramme, welche die Anzahl der Arten und die Überlappungsprozente abbilden. Judith Saupper zeichnet diese Diagramme an die Wände im Palais, sie verwandeln sich dort – durch ihre Hand – in „grosse Lebewesen“, die gleichzeitig fremd sind und eigen. „Wir sind ein Teil des grösseren Ganzen, wir sind Teil der Natur,“ betont Saupper. „Der Mensch ist nicht die Speerspitze der Schöpfung. Wir sollten uns darauf konzentrieren, was die Mikroorganismen können, um viele Probleme der Menschheit zu lösen. Das Bakterium Rhodococcus ruber zerlegt das Plastik in den Weltmeeren und wir wissen wie. Wir sollten uns fragen: Was sollten wir mit diesem Wissen anfangen?“

Humus als artenreichster Lebensraum

Nadine Präg bringt die Erdproben auf Nährmedium in Petrischalen auf und macht die Mikroorganismen so sichtbar. Die Photographie der Anzucht erlaubt eine makroskopische Analyse. Kann man diese Ergebnisse wissenschaftlich publizieren? „Theoretisch ja“, sagt Präg. „Mich interessiert hier aber in erster Linie, wie künstlerische Arbeit Wissen über Humus in die Gesellschaft tragen kann. Die Leseart lassen wir den Besuchern frei. Interessiert er sich für die Schönheit der Pilze und Bakterien? Möchte sie wissen, ob mein Mikrobiom mit dem Friedhof meines Geburtsortes Feldkirch übereinstimmt, mit diesem kollektiven Gedächtnis, oder doch mit meinem Sehnsuchtsort in Japan?“ Ein Mensch trägt gute zwei Kilogramm symbiontische Mikroorganismen in sich. Das Duo zeigt, wie tief die menschliche Verbindung zur Erde im wahrsten Sinne des Wortes reichen kann. Die Besucher können an den Exponaten dieser Ausstellung ablesen, ob Heimat auf molekularer Ebene sichtbar wird, ob die Spuren von emotionaler Nähe im Mikrobiom eines Ortes verborgen liegen. Ob die Geheimnisse der Erde es schaffen, Sie zu berühren.      

Judith Saupper und Nadine Präg: „Erdungen“      
11.7.-26.10.      
Eröffnung: Do 10.7. | 19 Uhr        
Di – Sa, 10 – 17 Uhr Palais Liechtenstein       
und Kunstbox Feldkirch       

Im Rahmen der Gruppenausstellung „Wo wir uns begegnen“, anlässlich des Jubiläumsjahres „Feldkirch einhundert“       
Kuratie: Bianca Rovetta, Arno Egger       
https://www.feldkirch.at/leben-in-feldkirch/kultur-und-tourismus/palais-liechtenstein