Eraserhead

1. November 2018 Walter Gasperi
Bildteil

Mit seinem schwarzweißen Debüt gelang David Lynch 1977 ein ebenso verstörender wie faszinierender Alptraum, der sich in kein Genre einordnen lässt. Bei Studiocanal ist dieser surreale Trip auf DVD und Bluray erschienen.

Rund sieben Jahre lang zog sich die Produktion dieses Films hin, den David Lynch nach einem Kunststudium und zwei Kurzfilmen 1970 in Angriff nahm. Seine Zeit in Philadelphia, in der er in einer armen Wohngegend lebte und "das Gefühl dauern in Gefahr zu sein, extrem (war), und man in ständiger Angst lebte" (Filmregisseure, S. 462), nennt er als Grundlage für sein Langfilmdebüt.

1970 verließ Lynch Philadelphia zog nach Los Angeles, um am "Center for Advanced Film Studies" des American Film Institute zu studieren. Auf der Basis eines 21-seitigen Drehbuchs begannen 1972 die Dreharbeiten, die das American Film Institute mit 10.000 Dollar unterstützte. Das fehlende Geld musste sich Lynch von Freunden und Verwandten leihen. Mehrfach musste deshalb die Arbeit am Film unterbrochen werden, erst im März 1977 erfolgte die Uraufführung. Nach zunächst verhaltenen bis negativen Reaktionen entwickelte sich "Eraserhead" bei Mitternachtsvorstellungen langsam zum Geheimtipp und Kultfilm.

Schon mit den ersten Einstellungen wird der Zuschauer in einen Alptraum geworfen, der Erinnerungen an Luis Bunuels und Salvador Dalis "Un chien andalou" und "L´age d´or" wecken. Man sieht das Gesicht eines liegenden jungen Mannes und hinter ihm das Weltall, vor allem einen Planeten, in dessen Inneren offensichtlich ein Mann mit Hebeln Maschinen steuert.

Erst wieder am Ende wird diese kosmische Dimension ins Spiel kommen, bis dahin liegt der Fokus auf dem jungen Henry Spencer (John Nance), der in einer trostlosen, verfallenden Industriegegend wohnt und in einer Fabrik arbeitet. Nie bekommt man hier den Himmel zu Gesicht und die stets in Halbdunkel getauchten Schwarzweißbilder und ungewöhnliche Perspektiven der Kameramänner Frederick Elmes und Herbert Cardwell verstärken die düstere Atmosphäre dieses Films, der sich auch zeitlich nicht einordnen lässt.

Auch auf der Handlungsebene schleicht sich aber zunehmend Surreales ein. Seltsam schräg wirken die Eltern von Henrys Freundin Mary (Charlotte Stewart), bei denen der junge Mann ein Hühnchen tranchieren soll, das plötzlich wieder lebendig wird und zu bluten beginnt. Hier erfährt Henry auch, dass Mary ein missgebildetes Kind geboren hat und er seine Freundin nun heiraten soll.

Gemeinsam bezieht das Paar eine kleine Wohnung, doch bald flieht Mary, da sie das ständige Geschrei des Babys nicht aushält. Mit seinem an ET erinnernden Kopf und einem ganz in Mullbinden eingewickelten Körper ist dieses Wesen der heimliche Star des Films. Auch Henry belastet dessen Geschrei und er taucht in Träume ab, sieht hinter dem Heizkörper, der seltsame Geräusche von sich gibt, eine Blondine mit Geschwüren auf den Wangen, die auf einer Bühne tanzt und den sentimentalen Song "In heaven, everything is fine" singt.

Wie später in "Blue Velvet" oder "Wild at Heart" trifft damit schon hier eine heile und kitschige Welt auf das Abgründige. Letzteres dominiert freilich und entscheidend trägt neben der Bildebene und Details wie Glühbirnen, der Heizkörper und Föten, die sich durch den Film ziehen, auch das Sounddesign zur beklemmenden Atmosphäre bei. Während der Dialog auf ein Minimum reduziert ist, schreit nicht nur fast durchgängig das Baby, sondern ständig zischt es auch, brodelt es, dampft es aus dem Heizkörper oder Glühbirnen brennen durch.

Aus einer im Grunde simplen Geschichte um eine Ehe und eine ungewollte Elternschaft wird so ein singulärer und verstörender Trip, in dem Realität, Wahn und Traum verschwimmen, der den Zuschauer in eine ganz eigene Welt eintauchen lässt und für vielfältige Interpretationen offen ist.

An Sprachversionen enthalten die bei Studiocanal erschienene DVD und Bluray die englische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können. Die Extras beschränken sich neben einem Überblick über weitere Highlights des Labels auf ein rund 90-minütiges Interview mit David Lynch, in dem er ausführlich über die langwierige Entstehungsgeschichte des Films erzählt.

Trailer zu "Eraserhead"