En Marche, Macron!

24. April 2017 Kurt Bracharz
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Eine Überraschung ist das Ergebnis des ersten Wahlgangs in Frankreich ja nicht gerade. Das ist auch gut so, schließlich waren die letzten politischen Überraschungen alle von der negativen Sorte. Fünf von den elf Wahlwerbern hatten Chancen auf zweistellige Ergebnisse, vier haben sie auch geschafft, nur der Sozialist Benoît Hamon muss sich mit 6 (statt der prognostizierten 8) Prozent begnügen, weil der Genosse Trend mittlerweile auch in Frankreich aus der sozialistischen Partei ausgetreten ist.

Die verbleibende Viererbande liegt bei je etwa 20 Prozent, Macron und Le Pen knapp darüber, Mélenchon und Fillon knapp darunter. Jean-Luc Mélenchon versprach, den Steuersatz für Einkommen über 400.000 Euro pro Jahr auf 100 Prozent (sic!) zu erhöhen, 100 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen (um sie in Wohnungsbau und erneuerbare Energien zu stecken), das Verhältnis zur NATO zu mindern und jenes zu Russland zu fördern (dasselbe außenpolitische Programm wie Le Pen!) und eine "bolivarische Allianz" mit Kuba und Venezuela zu bilden (die aktuellen Fernsehbilder aus Venezuela dürften aber manchem Mélenchon-Sympathisanten zu denken gegeben haben).

Der Republikaner und Margaret-Thatcher-Verehrer François Fillon kündigte einen extremen Sparkurs an, wollte die Wochenarbeitszeit und das Pensionsalter hinaufsetzen und das Arbeitsrecht radikal ändern und hätte vielleicht besser abgeschnitten, wenn er nicht erstens praktizierender Katholik der reaktionärsten Sorte wäre und wenn er nicht seiner Frau und zweien seiner Kinder 900.000 Euro mittels Scheinbeschäftigung verschafft hätte. Korruption hat in Frankreich gerade bei den Konservativen eine große Tradition, aber sie sollte nicht gerade im Wahlkampf auffliegen.

Da waren’s nur noch zwei: Das blonde Medusenhaupt Marine Le Pen, das gesagt hat, es fasse die Bezeichnung "Totengräberin der EU" als Kompliment auf, und Emmanuel Macron, der zwei Vorteile gegenüber seinen Mitbewerbern hatte: Er ist mit seinen 39 Jahren der jüngste von allen (Le Pen 48, Hamon 49, Fillon 63, Mélenchon 65), und er hat noch keine Wahl verloren, weil er bisher noch bei keiner angetreten war. Obwohl ENA-Absolvent, wird er nicht jener "Elite" zugerechnet, von der weite Teile nicht nur des Prekariats die Nase voll haben, nachdem sie zuletzt nur noch Blender wie Sarkozy und Kasper wie Hollande hervorgebracht hat.

Er wird wahrscheinlich die Stichwahl gewinnen (auch deshalb, weil doch viele dezidiert gegen Le Pen wählen wollen, deren Stammwählerschaft nicht über 20 Prozent hinauskommt, wie man auch an den nationalistischen Parteien anderer, derzeit noch demokratischer Länder sehen kann), und dann das Problem haben, eine funktionsfähige Mehrheit im Parlament zusammenzubringen. Er scheint die Menschen begeistern zu können. Seine Bewegung "En Marche!" hat es sozusagen aus dem Stand, nämlich binnen einem Jahr auf 250.000 Mitglieder gebracht, davon können andere nur träumen.