Eine wundervolle Saite Spaniens

29. Juni 2011 Rosemarie Schmitt
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An Selbstüberzeugung mangelte es ihm sicherlich nicht, diesem kleinen Bengel, der sich im Alter von sechs (!) Jahren am Pariser Konservatorium vorstellte, um unterrichtet zu werden. Doch weil er zu jung war, wurde er abgewiesen und so begann er also sein Studium in Madrid. Es war im Jahre 1860, als er in der spanischen Provinz Gerona geboren wurde, im selben Jahr wie auch Gustav Mahler und Hugo Wolf, jene jedoch nicht in Spanien. Zu dieser Zeit trug der Mann von Welt Filzhut und der kleine Albéniz Windel.

Mit dreizehn lief er von Zuhause fort. Mitnichten wie andere Heranwachsende, deren Ziel sich im Umkreis von maximal fünf Kilometern befindet, nein, dieser kleine Spanier ging als scharfsichtiger und gleichzeitig "blinder" Passagier an Bord eines Dampfers, der ihn nach Amerika brachte. Dort angekommen fand er prompt Gönner und Förderer. Er war sehr davon überzeugt, über ein außergewöhnliches Talent zu verfügen und ein famoser Komponist und Musiker zu werden. Es ist nicht bewiesen, daß diese Geschichte von der Seereise nach Amerika sich genau so zugetragen hat, doch ist sie nicht wundervoll!

In jedem Fall erwiesen ist jedoch, daß dieser kleine Besserwisser ein großer Verehrer von Franz Liszt war und fortwährend auf dessen Spuren wandelte. So reiste er Liszt nach, um von ihm unterrichtet zu werden. Ob sich deren Wege jedoch irgendwann wirklich kreuzten, ist ungewiß, daß der kleine Spanier das Klavierspiel erlernte, dies jedoch ist sehr gewiß! Er schrieb sogar Opern und Lieder, und am besten verstand er sich auf die Komposition von Klavier- und Orchesterwerken. Dem Einfluß seines Kollegen und Landsmannes Felipe Pedrell verdanken wir heute, daß jener kleine und wilde Spanier zu dem Komponisten heranwuchs, der die spanischste aller spanischen Melodien komponierte. Er verstand es wie kein anderer, der andalusischen Seele einen Rhythmus zu verleihen. Heute gilt er als Begründer des spanischen Nationalstils. Die für ihn so typischen spanisch-folkloristischen Elemente machen seine Musik unverkennbar.

Typisch spanisch eben; könnte man meinen, hätte er für das typischste aller spanischen Instrumente komponiert. Nein, nicht für die Kastagnetten! Ich denke da viel eher an die Gitarre. La Guitarra, für mich mit spanischer Folklore unbedingt verbunden. Doch Albéniz komponierte hunderte von Werken für das Klavier, welche jedoch schon bald für Gitarre transkribiert wurden. Und diese, ursprünglich für Klavier bestimmten Melodien klingen, als seien sie eigens für die "Guitarra" geboren.

Sollten Sie die Musik "für Gitarre" von Isaac Albéniz bereits kennen, oder auch nicht, in beiden Fällen kann ich Ihnen die aktuelle CD von David Russell - einer der besten klassischen Gitarristen - unbedingt empfehlen! Das Album "Isaac Albéniz – Spanish Music for Classical Guitar" (TELARC / Inakustik) ist unvergleichlich gut, sowohl aus ton-technischer, wie auch aus ton-künstlerischer Sicht! David Russell spielt wie ein Urspanier diese Melodien, als seien sie für kein anderes Instrument geschrieben, und auch auf keinem anderen als auf der Gitarre überhaupt spiel- und vorstellbar. Doch Albéniz komponierte in der Tat kein einziges Werk für Gitarre!

Für diejenigen, die auf mein bißchen Klatsch warten, sei erwähnt, daß die ehemalige Gattin des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, eine Urenkelin von Isaac Albéniz ist. Es gibt außerdem ein herrlich albernes, unterhaltsames und informatives kleines Büchlein von Winfried Bönig & Tilmann Claus mit dem Titel "Einsteins Violine – Ein musikalisches Sammelsurium", worin ich folgenden Reim fand, betreffend spanischer volkstümlicher Musik: "Gib mal bei "La Paloma" acht, wie fröhlich da die Oma lacht!" Doch da mir das zu albern is‘, hör ich viel lieber Albéniz!

Während man in England die erste Dauerwelle "legte" und in Deutschland das "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb" verabschiedet wurde, verabschiedete sich in Frankreich der erst 49 Jahre alte Isaac Albéniz für immer. Und er sollte Recht behalten: Dieser sechsjährige Naseweis, der am Pariser Konservatorium abgewiesen wurde, weil er noch nicht an dessen Türklinke reichte, verfügte über ein außergewöhnliches Talent und wurde ein famoser Komponist und Musiker. So ein kleiner Besserwisser! Obwohl Albéniz so viele Jahre seines Lebens in Frankreich verbrachte, war er seiner Heimat stets treu und innig verbunden. Gibt es für diese Behauptung einen schöneren Beweis als seine Musik, durch die uns Albéniz eine der wundervollsten Saiten Spaniens präsentiert?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt