Eine Hommage an Oscar Niemeyer

Der brasilianische Architekt Oscar Niemeyer gehört zu den Klassikern unter den Architekten des 20. Jahrhunderts. Die Möglichkeiten des Betons ausnutzend, hat Niemeyer eine grandios plastische Formensprache entwickelt, die durch raumgreifende, organische Konturen und Volumina besticht. Weltruhm erlangte er durch seine Werke für die neue Hauptstadt Brasília. Oscar Niemeyer entwirft noch heute, im Alter von 100 Jahren. Zu seinem hundertsten Geburtstag erbietet ihm die ETH Zürich eine Hommage.

Der "internationale Stil", vom Bauhaus in Deutschland begonnen, hat in Brasilien eine Entwicklung erfahren, die einmalig ist. Bis heute hat sich unter dem Einfluss eines tropischen Klimas eine Architektur der Offenheit und Freiheit entfaltet, die eine neue Raum- und Formensprache ermöglichte. Oscar Niemeyer (*1907) hat sich als einer der wenigen Architekten der Moderne vom Dogma des orthogonalen Rasters befreit. Seine Architektur ist heute – in einer Zeit, in der Architekten zunehmend mit amorphen Formen und Strukturen experimentieren – moderner denn je.

Erste Erfahrungen sammelte Oscar Niemeyer beim Bau des Erziehungs- und Gesundheitsministeriums (1936-1943), welches von einer brasilianischen Arbeitsgemeinschaft unter der Leitung von Le Corbusier konzipiert wurde. Der "internationale Stil" hatte sich durch Rückkehrer aus Europa bereits einen Namen gemacht. Durch die politische Unterstützung entfaltete er sich schnell zu einem eigenen Ausdruck brasilianischer Architektur.

Oscar Niemeyer trug entscheidend zur Entwicklung eines selbstbewussten eigenständigen modernen Baustils bei. Er setzte diesen zusammen mit seinem Mentor Lúcio Costa wirkungsvoll beim Brasilianischen Pavillon bei der Weltausstellung in New York (1939) um. Juscelino Kubitschek, der Gouverneur von Belo Horizonte, bot 1942 Niemeyer die Gelegenheit zum Bau eines neuen Stadtteils im "modernen Stil" in Pampulha. Kubitschek, in der Zwischenzeit zum Präsidenten Brasiliens gewählt (1955), zog Niemeyer auch beim Wettbewerb für die neue Hauptstadt Brasiliens bei, einer Idealstadt für 200"000 Menschen.

Niemeyer wurde 1956 in die Planergruppe um den bereits erwähnten Stadtplaner Lúcio Costa aufgenommen. Bis 1960 entstanden die monumentalen, wegen ihrer Offenheit und besonderen Symbolkraft viel gerühmten Repräsentationsbauten rund um den Platz der drei Gewalten – darunter der Nationalkongress, der Präsidentenpalast und der Oberste Gerichtshof. Sein Engagement in der kommunistischen Partei führte zu Schwierigkeiten nach dem Militärputsch (1964) in Brasilien. Aus Protest gegen die Universitätspolitik der Militärführung trat er mit 200 anderen Professoren von der Universität Brasília zurück. Niemeyer öffnete 1967 ein Büro in Paris und legte erst 1985 seinen Wohnort wieder nach Brasilien zurück.

Niemeyer arbeitet noch heute an seiner Architektursprache und sein Oeuvre umfasst mehr als 500 Bauwerke und Projekte vor allem in seiner Heimat Brasilien, aber auch in Portugal, Frankreich, Italien, Deutschland, Algerien, Lybien, Israel, Saudi-Arabien und in den USA. Der 100. Geburtstag Oscar Niemeyers bietet die Gelegenheit, sein bisheriges Schaffen in einer Hommage zu ehren. Kern der Ausstellung sind aktuelle Aufnahmen der ausgeführten Bauten Niemeyers vom Fotografen Leonardo Finotti (Lissabon) sowie Porträtaufnahmen von Evandro Teixeira (Rio de Janeiro). Filme und Interviews zeigen Oscar Niemeyer als Architekt und Persönlichkeit.


Während der Dauer der Ausstellung ist folgende Publikation am Institut gta erhältlich (Bestellen unter: ausstellungen@gta.arch.ethz.ch): "Oscar Niemeyer. Eine Legende der Moderne / A Legend of Modernism." Hg. von Paul Andreas und Ingeborg Flagge. Mit Beiträgen von Paul Andreas, Max Bill, Lauro Cavalcanti, Elmar Kossel, Carsten Krohn, Niklas Maak, Oscar Niemeyer und José Carlos Süssekind. Frankfurt a. M./Basel Boston Berlin 2003. 22 x 28 cm, 143 Seiten, Softcover. Deutsch/Englisch. ISBN 978-3-7643-6992-7, CHF 45.-/Euro 29.50

Oscar Niemeyer – eine Hommage
8. November 07 bis 31. Januar 08